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«Wir wollen uns vom verstaubten Image der Kirchen lösen»

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01.12.2016
Der reformierte Pfarrer Andri Kober und die katholische Theologin Jacqueline Straub lancierten die Website «Preachers». Mit Video-Predigten wollen sie Menschen eine neue spirituelle Plattform bieten.

Herr Kober, zusammen mit der katholischen Theologin Jacqueline Straub veröffentlichen Sie auf der Website «Preachers » monatlich eine Video-Predigt. Wieso? 
Unsere Online-Plattform richtet sich an Menschen mit spirituellen Bedürfnissen. Diese wollen ihre Spiritualität meist unabhängig von Ort und Zeit leben – der Gottesdienst am Sonntagmorgen passt nicht mehr in ihren Lebensentwurf. Mit den Video-Predigten bieten wir den Menschen die Gelegenheit, dann spirituelle Kraft zu tanken, wann sie es brauchen: Egal ob früh morgens oder spät abends. Egal ob zu Hause, in den Ferien oder von unterwegs.  

Sie sind reformierter Pfarrer und Seelsorger, Jacqueline Straub ist katholische Theologin. Was heisst Ökumene für Sie? 
Die christliche Zukunft ist ökumenisch. Davon bin ich überzeugt. Deshalb ist die Zusammenarbeit von Jacqueline Straub und mir auch eine Selbstverständlichkeit. Wir wollen offen für das andere sein, ohne die eigene Herkunft zu verleugnen. Wir planen uns gegenseitig zu den unterschiedlichen Traditionen auf der Website zu befragen. Etwa zum Abendmahl: Was fühlst du da? Meinst du wirklich, dass du den Leib Jesu verspeist? Wir wollen den Menschen die langjährigen Traditionen wieder näherbringen, die über die Jahre in Vergessenheit geraten sind.   

Wie sind Sie den beiden Landeskirchen gegenüber eingestellt? 
Wir sind beide in unseren Landeskirchen verankert. Aber wir wollen uns vom verstaubten Image der Kirchen lösen. Wir wollen die Menschen berühren, von ihnen verstanden werden. «Preachers» will eine moderne Form von Kirche und Christentum realisieren, Glaubensimpulse setzen und unsere Werte zeitgemäss zu den Menschen bringen. Tiefgang ist uns wichtig.  

Wie finanzieren Sie sich? 
Wir haben diverse Gesuche bei kirchennahen Stiftungen und Institutionen platziert. Doch erfuhren wir viel Zurückhaltung – auch Anfragen bei den Landeskirchen blieben erfolglos. Deshalb haben wir private Unterstützer gesucht. So konnten wir 6 000 Franken sammeln. Jetzt läuft noch eine Crowdfunding-Aktion, um die Startkosten zu decken. Ziel ist es, Werbeaufträge zu finden. Aber das ist nicht einfach, da wir aus moralischen und ethischen Gründen nicht jede Werbung akzeptieren können.  

Mit je einer Predigt sind Sie gestartet. Was haben Sie weiter geplant? 
Jeden Monat schalten wir zwei Video-Predigten, eine von Jacqueline und eine von mir – die sind das Herzstück der Seite. Wir planen aber auch gemeinsame Predigten. Es wird auch jeden Sonntag eine Print-Predigt geben und mehrere «Lichtblicke» pro Woche. Mit Texten wollen wir auf Tagesaktualität reagieren können. Neben der Website bewirtschaften wir unseren YouTube-Kanal, Facebook und bieten einen Newsletter an. Schön wäre es, wenn wir in Zukunft auch Gäste in unseren Predigten integrieren können.  

Mit Ihrer Internet-Plattform schliessen Sie jene Menschen aus, die keinen Zugang zur virtuellen Welt haben. Etwa ältere Menschen zählen zu diesen. Wie wollen Sie diese erreichen?  
Ich behaupte, diese Menschen auch so zu erreichen. Denn auch ältere Personen haben Tablets und Laptops, die ihnen von Familienmitgliedern eingerichtet werden. Vielleicht müssen sie sich erst an die schnellen Bilder der Video-Predigten gewöhnen. Aber wir dürfen die älteren Menschen nicht unterschätzen. 

Apropos Alter, welchen Einfluss hat der Altersunterschied zwischen Ihnen und Jacqueline Straub? 
Wir sind überzeugt, dass wir uns trotz 26 Jahren Differenz gut ergänzen. Jacqueline ist jung, weiblich und katholisch. Ich 52-jährig, männlich und reformiert. Wir sind ein Kontrabild der Entwicklung in der katholischen Kirche, die immer älter und männlicher wird, und in den reformierten Kirchen, die immer jünger und weiblicher werden. Das ergibt eine spannende Dynamik. 

Nicola Mohler / reformiert.info / 1. Dezember 2016

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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