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Grossbritannien empfiehlt neutrale Zeitrechnung

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11.10.2017
Englische Schulen werden immer öfter angehalten, bei Jahrzahlen eine neutralere Bezeichnung als «v. Chr.» und «n. Chr.» zu verwenden. Ein Religionsgeschichtler sieht das für die Schweiz nicht als dringend an.

Wir schreiben das Jahr 2017. Die Jahrzahlen sind weltweit unbestrittener Standard und werden täglich fast unzählige Male verwendet. Die korrekterweise dazugehörenden Bezeichnungen «nach Christus» und «vor Christus» hingegen sind nicht unbestritten – zumindest in Grossbritannien.

Gemäss der Zeitung «Telegraph» wird immer häufiger nicht mehr «BC» (Before Christ) und «AD» (Anno Domini) verwendet, sondern «BCE.» und «CE» – für «Before Common Era» («vor unserer Zeitrechnung») und «Common Era» («unsere Zeitrechnung»). Die Behörde «Standing Advisory Councils for Religious Education» habe empfohlen, «BC» und «AD» aus dem Religionsunterricht zu streichen, um Nichtchristen gegenüber «sensitiv zu sein», berichtet der Telegraph.

«Industriestandard» unter Historikern
Die Bezeichnungen «BCE» und «CE» dagegen seien bereits seit dem 6. Jahrhundert bekannt, begründet die Behörde. Sie seien unter Historikern so etwas wie ein «Industriestandard». Auch der deutsche Astronom und Mathematiker Johannes Kepler im Jahre 1615 habe die Bezeichnung «Anno aerae nostrae vulgaris» verwendet. Das bedeutet ungefähr: «Im Jahre unserer gewöhnlichen Zeitrechnung».

Hierzulande seien v. Chr. und n. Chr. kein grosses Thema, sagt Christoph Uehlinger, Professor für Allgemeine Religionsgeschichte und Religionswissenschaft an der Uni Zürich. Ein Anspruch nicht-christlicher Gruppierungen, die Bezeichnungen aus politisch-religiösen Gründen zu unterlassen, sei ihm nicht bekannt. Trotzdem verwendet auch er den «Industriestandard»: «Persönlich halte ich mich an die Alternative ‚vuZ’ – vor unserer Zeitrechnung – und ‚uZ’» – unsere Zeitrechnung.»

Relativität für Studierende
Grund dafür sei zum einen, dass sich Studierende so mit der Relativität von Chronologien und Ären auseinandersetzen müssten. «Zum andern ist v. Chr./n. Chr. in der Tat eine dezidiert christliche Zählung. Und in der Religionswissenschaft sollte mit sogenannt emischen – durch eine religiöse Tradition bestimmten – Begriffen zurückhaltend und kritisch umgegangen werden», begründet Uehlinger den Gebrauch von «vuZ/uZ».

Doch auch wenn «Chr.» aus der Bezeichnung gestrichen wird, beziehen sich die anderen Begriffe nach wie vor auf Christi Geburtsjahr – also bloss eine Verschleierung des Ursprungs? Das sieht auch der Religionswissenschaftler. Er wendet aber ein, dass die Datierung nach «christlichem» Kalender heute eben global verbreitet sei und selten ausdrücklich mit dem Bezugspunkt verknüpft werde. «Insofern bezeichnet ,uZ’ eben nicht einfach eine kaschierte christliche Community, sondern eine pragmatisch bestimmte Weltgemeinschaft», findet Christoph Uehlinger.

Hierzulande keine grosse Sache
Er verwende die Angabe mit «Zeitrechnung» deshalb auch nicht aus dogmatischen Gründen, sagt der Professor weiter. Bei ihm sei es didaktisch und wissenschaftlich begründet. Und er würde die Sache «nicht allzu hoch hängen» – sie würde hierzulande erst zum Problem, wenn sich jemand an der Bezeichnung stossen würde.

Wer trotzdem Mühe haben sollte mit dem Bezugspunkt der Jahrzahlen, könnte sich notfalls den Fachleuten von Naturwissenschaften, Ur- und Frühgeschichte anschliessen. Diese verwendeten «BP» für «before present» – vor der Gegenwart. Gemäss Uehlinger unter anderem, weil bei sehr langen Zeiträumen eine Differenz von 2000 Jahren nicht ins Gewicht falle.

Marius Schären, reformiert.info, 11. Oktober 2017

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