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Glaubt Roger Köppel an den Weltuntergang?

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10.01.2018
Der Chefredaktor der Weltwoche, Roger Köppel, lässt Karl Barth als Kronzeugen für ein kämpferisches Christentum gegen die prinzipientreuen, christlichen Pazifisten auftreten. Zwei Theologen differenzieren.

Roger Köppel, Chefredaktor der Weltwoche, wurde von der freikirchlich geprägten Zeitschrift «Idea Spektrum» zum Schreiben einer Kolumne eingeladen. Und wie sein Parteifreund, Pfarrersohn Christoph Blocher, es oft tut, beruft sich Köppel als christlicher Publizist auf einen der bedeutendsten Schweizer Theologen des 20. Jahrhunderts: Karl Barth. Köppel ruft ihn für ein kämpferisches Christentum gegen die prinzipientreuen, christlichen Pazifisten auf. «Pazifismus war und ist gegen die 'Mächte des Bösen' ein falsches Rezept – darum wurde Barth noch mit 55 Jahren Soldat», so der SVP-Nationalrat.

Kein friedensethisches Dogma
Der letzte Assistent von Karl Barth, der Theologe Eberhard Busch, will Barths Handeln mehr aus der Situation heraus begreifen:  «Was im Zweiten Weltkrieg galt, hat nicht für immer und ewig Gültigkeit». Denn Barth hätte die Frage nach Krieg und Frieden nie dogmatisch, sondern im Horizont der unterschiedlichen politischen Konstellationen betrachtet. Und so hat Barth im Schatten des Atomkriegs den Satz geschrieben, «dass das rigorose Nein der pazifistischen Ethik fast unendlich viel für sich hat, fast überwältigend stark ist.» Angesichts des atomaren Bedrohungsszenarios der gegenseitigen Auslöschung von Ost und West entschied er sich, so Busch, für eine Politik zu werben, «die den Dialog ermöglicht, um die Eskalation abzuwenden.»

Niklaus Peter, Barth-Kenner und Pfarrer am Zürcher Fraumünster, betont wiederum, dass die Barthsche Position im Kalten Krieg nicht mit einer Äquidistanz zu Ost und West oder sogar einer Sympathie für den Kommunismus verwechselt werden darf. Allzu oft sei Barth als verkappter Kommunist verleumdet worden. Peter dazu: «Barth hat bei aller Kritik gewusst, dass der Westen demokratisch und der Osten totalitär ist.» So hält Barth beispielsweise fest, dass der «faktisch von einer regierenden und geniessenden Gruppe gelenkte Staatssozialismus» nicht gerade das «Heilmittel der sozialen Krankheiten» der Gegenwart sei.

Peter hat kein Problem mit dem Fingerzeig in der Köppelschen Kolumne, der sich gegen einen zu einfachenPazifismus von manchen Christen richtet. Was ihn indes irritiert, ist folgender Satz: «Christsein heisst, einem Endkampf entgegenzugehen. Warum überdecken unsere bequemen Kirchen diese Wahrheit mit unbiblischem Gesäusel von «sozialer Gerechtigkeit» und «Bewahrung der Schöpfung»?

Köppel – ein Weltuntergangsprophet?
«Hier vertritt Köppel in einer Zeitschrift, die teilweise auch Leser mit einem apokalyptischen Glaubenshintergrund anspricht, Weltuntergangsszenarien, an die er mit grosser Wahrscheinlichkeit selbst nicht glaubt», sagt Peter.

Dass dann noch Köppel gegen die «bequemen Kirchen» mit ihrem «unbiblischen Gesäusel von sozialer Gerechtigkeit» polemisiert, befremdet Peter zudem. Das Thema Gerechtigkeit wiederum sei zeitlebens für Barth ganz oben auf seiner theologischen Agenda gestanden. Auch wenn sich der Begründer der dialektischen Theologie gegen jede ideologische Instrumentalisierung von Jesus Christus, egal welcher Couleur, wehrte, setzte sich schon der junge Pfarrer Barth als SP-Mitglied im aargauischen Safenwil für die Rechte der Arbeiter ein. Friede und soziale Gerechtigkeit – das sind für Barth unzertrennlich kommunizierende Röhren. So schreibt er: «Der Friede ist der Ernstfall, in welchem alle Zeit, alle Kraft und alles Vermögen dafür einzusetzen sind, dass die Menschen leben, und zwar recht leben können, um dann nicht vom Kriege erwarten zu müssen, was ihnen der Friede verweigert hat.»

Delf Bucher, reformiert., 10. Januar 2018

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