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Bildung für Frauen

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05.03.2018
Der diesjährige Sylvia-Michel-Preis geht an die erste Präsidentin der protestantischen Kirche von Timor. In ihrem Amt kämpft Mery Kolimon für die Bildungschancen von Frauen und gegen den Menschenhandel in Indonesien.

Mery Kolimon zeigt sich an der Preisverleihung in der Kirche von Bremgarten tief berührt. Sie nehme den Preis nicht für sich alleine in Empfang, sondern für die vielen Frauen, die für ihre Rechte kämpfen. Die 45-jährige Theologin ist Vorsteherin der Evangelischen Kirche von Timor (GMIT) in Indonesien. Sie ist die erste Frau in diesem Amt. Mery Kolimon trägt die Verantwortung für eineinhalb Millionen Mitglieder und 1200 Pfarrpersonen. Das sei in der patriarchal geprägten Gesellschaft Indonesiens nicht selbstverständlich, sagt sie.

Besonders beobachtet
Im Magazin «Auftrag» erklärt Mery Kolimon, dass sie als Frau viel mehr leisten müsse als ihre männlichen Kollegen – für dieselbe Anerkennung. Sie wisse, dass sie als Frau besonders genau beobachtet wird. Trotzdem oder gerade deshalb habe sie das Amt der Kirchenvorsteherin angenommen. «Das ist die Gelegenheit, um der breiten Bevölkerung zu beweisen, dass weibliche Führung funktioniert.»

Kolimon sagt in Bremgarten, sie habe ihrer Familie viel zu verdanken. Ihre Mutter, die sehr intelligent gewesen sei, konnte keine höhere Schule besuchen, das durften nur die Brüder. Die Mutter schwor sich, dass ihre Töchter die gleichen Chancen haben sollten wie ihre Söhne. So bekam Mery Kolimon eine Ausbildung. Später studierte sie Theologie in den Niederlanden und schloss ihr Studium mit einer Dissertation über die Theologie des Empowerments ab. 2015 erschien ihr Buch «Forbidden Memories» über Schicksale von Frauen, die 1965 in Ostindonesien die antikommunistischen Säuberungen erlebt hatten.

Rechtlos und ausgebeutet
Viele Frauen in Timor hätten nicht die Möglichkeit zur Bildung, sagt Mery Kolimon. Um arbeiten zu können, müssten sie die Insel verlassen und würden oft Opfer von Menschenhändlern. Die Frauen und Mädchen aus Timor reisen in die Städte Indonesiens, nach Malaysia oder Hongkong und unterschreiben dort Knebelverträge, die sie rechtlos machen, so dass sie ausgebeutet werden. Viele erlebten als Hausangestellte oder in der Zwangsprostitution psychische oder physische Gewalt.

Gerade da wird die Präsidentin und Theologin pragmatisch: Mit konkreten Projekten ermöglicht die Kirche den jungen Frauen die Rückkehr und hilft ihnen beim Wiedereinstieg. «Es sind kleine Schritte, das Problem ist riesig», sagt Kolimon selbstkritisch.

Der Mutter gewidmet
«Mädchen sollten die Chance auf Bildung haben», betont Mery Kolimon auch an der Preisverleihung in Bremgarten. Sie widmet den Sylvia-Michel-Preis ihrer Mutter, stellvertretend für all jene, die Frauen ermutigen und ermächtigen, ihren Weg zu gehen. Und der Bevölkerung, die für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung kämpft, und ihre Kinder bestärkt, für ihre Träume einzustehen. «Man sollte alle unterstützen, sich für Gottes Mission einzusetzen.»

In seiner Laudatio lobt Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg den Mut und die Leidenschaft, mit der sich Kolimon gegen die Diskriminierung engagiert. Der Preis solle nicht nur eine materielle Würdigung sein, sondern eine «öffentlich wahrgenommene Botschaft der schweizerischen Kirchen an ihre Schwesterkirchen».

Erste Kirchenpräsidentin Europas
Der Sylvia-Michel-Preis wird seit 2009 an Personen und Projekte verliehen, die sich für die Förderung von Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen einsetzen. Die Preisträgerinnen werden von einer Jury aus amtierenden und ehemaligen Präsidentinnen und Vizepräsidentinnen der reformierten Landeskirchen der Schweiz (PanKS) und einer Aargauer Vertreterin gewählt. Stifterin des Preisgelds von 5000 Dollar ist die Reformierte Landeskirche Aargau. Der Name des Preises erinnert an die Pfarrerin Sylvia Michel, die 1980 zur Präsidentin der Aargauer Kirche gewählt wurde. Sie war die erste Frau in Europa, die das Präsidium einer kirchlichen Exekutive übernahm.

Tilmann Zuber, kirchenbote-online.ch, 5. März 2018

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