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«Hier spielt das Leben»

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25.02.2016
Wie sehen junge Erwachsene die Kirche? Für die Plakat-Ausstellung in der Berner Heiliggeistkirche haben angehende Polygrafinnen und Polygrafen der Schule für Gestaltung Bern und Biel ihre Sicht auf die «offene kirche» in Bilder gefasst.

«Hier spielt das Leben.» Diesen Slogan trägt das Sieger-Plakat von Epu Shaha und Mara Kurz, das aus 14 Plakaten von angehenden Polygrafinnen und Polygrafen der Schule für Gestaltung Bern und Biel ausgewählt wurde. Für die beiden Siegerinnen drückt dieser einfache Satz aus, was für sie die «offene kirche» ausmacht: «Offenheit, Kultur, Musik und eine Oase der Stille mitten in der Stadt», erklären die beiden Lernenden ihr Plakat während der Auftaktveranstaltung der Ausstellung in der Heiliggeistkirche (siehe Box). Während der Slogan schnell gefunden war, strapazierte das Fotografieren die Nerven der beiden. Trotz schönem Wetter sei es schwierig gewesen, ein passendes Foto zu machen. «Immer wieder versperrten Busse, Trams oder Passanten die Sicht auf die Heiliggeistkirche», sagt die 20-jährige Mara Kurz. Auf dem Bahnhofsplatz waren sie mit einer Schablone unterwegs. Diese hielten sie vor der Kamera in die Höhe und suchten nach der richtigen Perspektive auf das Gotteshaus. Dabei machten sich die beiden Lernenden vielen Gedanken: Wie viel von der Kirche darf man auf dem Foto sehen, wie viele Passanten? «Wichtig war, dass die Turmuhr mit den vergoldeten Zeigern und Ziffern gut erkennbar ist», sagt die 18-jährige Epu Shaha. Die Kirche ist scharf hinter der Schablone zu sehen. Die Passanten, die unter dem Baldachin aus dem Tram aussteigen, hingegen sind nur unscharf abgebildet.
«Das Plakat symbolisiert die ‹offene kirche› als einen Ort, in dem man mitten im pulsierenden Stadtalltag innehalten kann – ein Ort zum Ausatmen», sagt Mara Kurz. «Und ein Haus, in das Personen von überall eintreten können.» Mit dem Plakat hoffen Mara Kurz und Epu Shaha ein breites Publikum anzusprechen und so die Neugier für die «offene kirche» zu wecken. «Oft geht man an der Heiliggeistkirche vorbei, ohne sie richtig wahrzunehmen», sagt Epu Shaha.


Anfängliche Skepsis
Jeden Frühling sucht die Schule für Gestaltung Bern und Biel nach einer Non-Profit Organisation, die als möglicher Auftraggeber für die Lernenden dienen kann. Letztes Jahr schlugen die Lehrer der Leiterin Berufsfachschule Christina Opper vor, die «offene kirche» anzufragen. «Ich kannte die ‹offene kirche› nicht und war erst sehr skeptisch», sagt Christina Opper. «Als Schule dürfen wir nicht eine Glaubensrichtung in den Vordergrund stellen.» Doch die Zweifel seien bereits nach dem ersten Treffen mit dem Vorstand vom Tisch gewesen. «Die ‹offene kirche› spricht nicht nur von Interreligiosität, sie lebt sie auch», sagt Christina Opper.
Die Zweifel der Leiterin teilten auch einige der angehenden Polygrafinnen. «Ehrlich gesagt, ich war nicht begeistert, als ich von dem Projekt hörte. Als ich aber realisierte, was die ‹offene kirche› alles tut, änderte ich meine Meinung», sagt Aline Jossi, die zusammen mit Claudia Wälti den 3. Platz erhielt. Ihr Plakat trägt den Titel «Dockingstation», weil in den Augen der beiden jungen Erwachsenen die «offene kirche», eine neutrale Plattform bietet. «Jeder kann seine Religion mitbringen, jeder kann sich mitteilen, jeder kann andocken», erklären sie die Überlegungen zum Plakat. Mit den technischen und modernen Aspekten des Plakates wollen sie ein junges Publikum ansprechen. 300 Fotos machten sie für die Fotocollage. Davon verwendeten sie 94. Diese vielen Bilder sind aber erst auf den zweiten Blick zu sehen. Von weitem erkennt man einen Stromstecker und ein Verbindungskabel. Je näher man tritt, desto mehr religiöse Details erscheinen – und zwar nicht nur christliche Elemente, sondern zum Beispiel auch ein Muezzin, der zum Gebet ruft. «Uns gefällt das Plakat, weil es so verspielt und detailreich ist», sagt Claudia Wälti.


Das Labyrinth des Lebens
Auf den zweiten Platz schafften es Sophie Hofer und Jessica Pacheco Pereira mit ihrer typographischen Umsetzung des Slogans «neutral, zentral, urban». Durch die Aneinanderreihung von Buchstaben erreichen die beiden angehenden Polygrafinnen eine Spannung. «Aber wir wollten nicht nur ein spannendes Schriftbild, wir haben auch ein Labyrinth eingebaut», erklärt Sophie Hofer das Plakat. Der Slogan sticht in der Mitte des Bildes in roter Farbe hervor. Oberhalb von «neutral» deutet ein oranger Pfeil direkt in eine Sackgasse. «Das Leben ist ein Labyrinth. Jeder Mensch geht seinen Weg und gerät immer wieder mal in eine Sackgasse», erklären die beiden 19-jährigen. «Zuerst dachte ich, dass wir viele Vorgaben für das Projekt seitens der Kirche erhalten werden. Doch das Gegenteil war der Fall», sagt Jessica Pacheco Pereira. Auch Sophie Hofer hatte bedenken, dass es heikel werden könnte, um allen religiösen Ansprüchen gerecht zu werden. Doch die anfänglichen Zweifel wandelten sich bei allen Involvierten in Begeisterung.

Nicola Mohler / reformiert. / 22. Februar 2016

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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