Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

Suizid gemeinsam verarbeiten

min
27.09.2016
Wenn sich jemand das Leben nimmt, müssen die Hinterbliebenen mit dem Unfassbaren umgehen können. In Zürich können sie sich in einer Selbsthilfegruppe mit Gleichbetroffenen austauschen.

Jährlich nehmen sich in der Schweiz über 1300 Menschen das Leben. Jeder Suizid hinterlässt rund sechs bis acht nahe Angehörige. Durch die gesellschaftliche Tabuisierung von Suizid werden die Hinterbliebenen oft allein gelassen, was eine Verarbeitung des Geschehenen schwierig macht. Der Verein «Refugium» hilft Betroffenen, mit den Folgen eines Suizids umzugehen. In geleiteten Selbsthilfegruppen kann die Geschichte und Trauer aufgearbeitet werden.

Karoline Iseli von der Fachstelle «Kirche + Jugend» des reformierten Stadtverbands Zürich leitet die Selbsthilfegruppe. «Jeder geht auf individuelle Art mit dem schrecklichen Ereignis um. Erfahrungen zeigen aber, dass der Austausch mit Gleichbetroffenen eine grosse Hilfe ist , das Ganze zu verarbeiten,» erklärt die reformierte Pfarrerin und diplomierte Pflegefachfrau. Das kann auch noch lange Zeit nach dem Suizid der Fall sein. Denn nicht alle Menschen könnten ein solches Ereignis in der Zeit verarbeiten, die ihnen von der Gesellschaft im allgemeinen zugestanden wird, so Iseli. Ein Suizid ist nicht mit einem «normalen Todesfall» zu vergleichen, auch was die Dauer der Trauerverarbeitung betrifft. Viele brauchen länger, um den Weg zurück ins Leben zu finden, um wieder Lebensfreude empfinden zu können.

Aufschreiben
Am Dienstagabend, 27. September, findet ein Informationsabend für Interessierte statt. Danach geht es vierzehntäglich – ausgenommen Schulferien – jeweils am Dienstagabend von 19-21 Uhr weiter, an rund zwanzig Abenden bis in den nächsten Sommer. Die Selbsthilfegruppe umfasst rund sechs bis neun Personen. Diese Grösse bietet Gewähr dafür, dass der Austausch innerhalb der Gruppe ausreichend ist und alle angemessen zu Wort kommen.

Die Gruppenteilnehmer verpflichten sich, ihre Geschichte mit der verstorbenen Person aufzuschreiben, und der Gruppe vorzutragen. Das ist ein wichtiger Teil der Verarbeitung, auch wenn er für viele Betroffene zunächst eine grossse Hürde darstellt. Dann folgt jeweils der Austausch im Gespräch. Nach den Abenden mit den Erlebnisberichten werden Sachthemen besprochen. Etwa, wie mit den bohrenden Warum-Fragen umzugehen sei, oder mit Schuld- und Ohnmachtsgefühlen. Oder auch die Frage, wie man die erste Weihnacht oder den ersten Geburtstag nach dem Suizid für sich gestalten soll. Die Gruppe kann selber bestimmen, welche Themen im Einzelnen zur Sprache kommen.

Auch mal schweigen
Karoline Iseli hütet sich, einfache Ratschläge zu erteilen. Auch nützten Sätze wie «ich verstehe dich» den Betroffenen wenig. «Wer nicht selber einen Suizid im eigenen Umfeld erlebt hat, der kann solches gar nicht vollumfänglich verstehen,» sagt sie. Oft hilft es mehr, wenn den Betroffenen gegenüber eingestanden wird, dass man selber keine Worte findet und man selber sprachlos ist, dass ein Mensch nicht mehr da sei. Auch in der Selbsthilfegruppe müsse nicht immer gesprochen werden: «Wichtig ist, dass man auch mal ein Schweigen aushalten kann.»

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Stefan Schneiter/ reformiert. / 27. September 2016

Unsere Empfehlungen

69-Jährige im neuen Look

69-Jährige im neuen Look

Das «Wort zum Sonntag» gehört zu den ältesten Sendungen von SRF. Jetzt wurde ihr Auftritt optisch überarbeitet. Über die alte Sendung in neuem Glanz.