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«Unsere Leistungen sind mehr wert als ihr Ruf»

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11.11.2016
Mit der Veranstaltung «Feu sacré» startete die Kirche Baselland ihren Reformprozess. Prominente Gäste wie Kirchenbundspräsident Gottfried Locher setzten sich mit der reformierten Identität und der künftigen gesellschaftlichen Rolle der Kirche auseinander.

Die reformierten Kirchen der Deutschschweiz befinden sich im Umbruch. Manche stecken mitten drin und sind daran, Reformprozesse und Umstrukturierungen umzusetzen, etwa Schaffhausen, Zürich, Bern, Basel-Stadt und Luzern. Die Reformierten im Baselbiet stehen am Anfang dieser Entwicklung. Vor kurzem lud die Kantonalkirche ihre Mitglieder ein, einen Samstag lang über die Zukunft der Reformierten im Baselbiet nachzudenken. Und so lautete die erste Frage des Tages: Wie viele kommen? Neun oder 90‘000?

Erwartungsgemäss kamen nicht 90‘000 Mitglieder, aber deutlich mehr als neun. In den ehemaligen Gewerberäumen der Hanro in Liestal herrschte reges Kommen und Gehen. Rund 250 Interessierte besuchten die Referate, Gespräche, Runden Tische und Plenums und diskutierten darüber, wie die Baselbieter Reformierten sich selber sehen und wie sie wahrgenommen werden.

Die Rolle in der Gesellschaft suchen
Die Grundlage der Tagung bildeten die Handlungsempfehlungen des Visitationsberichts, welche die Kirche Baselland bis 2020 umsetzen will. Der Bericht entstand unter der Leitung des Baselbieter SEK-Vizepräsidenten Peter Schmid aus Gesprächen mit den Kirchgemeinden. Er zeigt die Herausforderungen, mit denen sich die Kirche in Zukunft konfrontiert sieht. Dabei geht es nicht nur darum, mit einer neuen Kirchenverfassung zeitgemässe Strukturen zu schaffen, sondern um die Ausgestaltung einer Kirche, die sich mit weniger Mitgliedern und weniger Geld in einer pluralistischen und multireligiösen Welt behaupten muss.

Kirchenrat Matthias Plattner fiel die Aufgabe zu, am frühen Morgen bei den Teilnehmenden mit einer ersten Flamme das «Feu sacré», das heilige Feuer, für die Baselbieter Kirche zu entfachen. Unter diesem Titel stand die Veranstaltung. Plattner erinnerte an das Pfingstwunder und ermutigte die Anwesenden, Neues auszuprobieren, entsprechend der Botschaft des Kirchenbundes zum Reformationsjubiläum «quer denken, frei handeln, neu glauben».

Die Frage nach der Identität und der gesellschaftlichen Rolle der Reformierten zog sich wie ein roter Faden durch den Tag. Die Monopolstellung, welche die Kirche bis vor drei Jahrzehnten noch innehatte, «tat uns nicht gut. Wir mussten uns nicht erklären», meinte Kirchenbundspräsident Gottfried Locher. Die Ausrichtung ändere sich mit der Stellung der Kirche. Es mache einen Unterschied, ob sie staatlich eingebunden sei wie die Landeskirchen oder nicht. Das sehe man bei den Freikirchen. Im Gegensatz zu ihnen herrsche bei den Landeskirchen ein besonderes Verantwortungsgefühl für die ganze Gesellschaft.

«Ob die Kirche attraktiv ist, entscheidet sich dort, wo Seelsorge stattfindet», sagte Locher. Das Gemeindepfarramt bezeichnete der Kirchenbundspräsident als «Hauptkompetenz unserer Kirche». Er unterstrich, wie wichtig die Pfarrerinnen und Pfarrer für das geistliche Leben in den Kirchgemeinden seien. Doch allein könnten die Kirchgemeinden nicht überleben. Locher plädierte für eine «Kirche auf drei Ebenen». Es brauche neben den Kirchgemeinden auch die Kantonalkirchen und den Kirchenbund als nationale Vertretung der Reformierten.

«Eine Verfassung ist keine Bibel»
Der Reformprozess ist wie in den anderen Kantonalkirchen auch im Baselbiet mit einer Revision der Kirchenverfassung verbunden. Im Baselbiet stammt diese aus dem Jahr 1952. Doch «Strukturen lösen keine Probleme», betonte Gottfried Locher. Die neue Verfassung solle «dienen, damit ein gutes Gemeindeleben möglich ist.» So sah das auch René Rhinow. Der Jurist und Alt-Ständerat gilt als «Vater der Baselbieter Kantonsverfassung». «Eine Verfassung ist keine Bibel», sagte Rhinow. Eine Verfassung müsse umsetzbar sein und sei dann gelungen, wenn sie nicht bemerkt werde. «Eine neue Verfassung allein bringt keine Kirchenreform», so Rhinow weiter. Vorab seien Fragen zu klären wie «wer sind wir?», «was trägt uns?» oder «was beschäftigt uns?».

Am Schluss der Veranstaltung zog Niklaus Ullrich vom organisierenden «Projektbüro Umsetzung Visitation» ein positives Fazit: «Der Auftrag zum Aufbruch hat am ‚Feu sacré‘ definitiv seine Legitimation erhalten. Was die Reformierten in der Gesellschaft zu bieten haben, muss nicht nur deutlich kommuniziert, sondern stärker strukturiert und organisiert werden. Unsere Leistungen sind mehr Wert als ihr unscheinbarer Ruf.»

Weitere Informationen zum «Feu sacré»

Karin Müller / Kirchenbote / 11. November 2016

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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