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Fragwürdiger Schutz der Ehe

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18.11.2016
Mit ihrer Initiative «Schutz der Ehe» will die EDU die gleichgeschlechtliche Ehe verbieten. Von der reformierten Kirche erhält sie keine Unterstützung.

Am 27.November stimmt das Zürcher Stimmvolk über die Initiative «Schutz der Ehe» ab, die von der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) eingereicht worden ist. Die Initiative will in der Kantonsverfassung die Ehe definieren als eine «auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau». Mit dieser Formulierung soll, wie das Initiativkomitee schreibt, die «Einzigartigkeit der Ehe» geschützt werden und die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare verhindert werden.

Christ in jeder Lebensform
Die EDU, eine Kleinpartei, die in freikirchlichen und evangelikalen Kreisen verankert ist, stützt sich mit ihrer Initiative auf einen christlich tradierten Ehebegriff. Bei der reformierten Kirche aber kommt die Initiative nicht gut an. Renate von Ballmoos, Pfarrerin an der Predigerkirche in Zürich, engagiert sich im Personenkomitee gegen die Initiative. «Die Initianten versuchen, das Christentum für eine einzige Beziehungsform – nämlich die von Mann und Frau – zu pachten. Doch wie man lebt – verheiratet als Mann und Frau, in einer offenen Beziehung, geschieden, allein oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft – hat nichts mit dem Christsein zu tun.» Die «klassische» Ehe sei kein religiöser Begriff, sondern eine bürgerliche Institution, die sich im Wesentlichen in den letzten 150 bis 200 Jahren etabliert habe. Aber heute existierten auch andere Beziehungsformen eben auch zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern. «Mit der geschlechtlichen Ausrichtung wird man geboren. Das wählt man sich nicht aus,» betont von Ballmoos. Jeder Mensch sei vor Gott gerechtfertigt, unabhängig von seiner sexuellen Ausrichtung.

Richtig ist, dass in der Bibel homosexuelle Handlungen an verschiedenen Stellen negativ konnotiert sind. So werden sie etwa in 3. Moses 18,22 als «Gräuel» bezeichnet. Allerdings werden vor allem promiskuitive Praktiken beschrieben. Für Pfarrerin ist klar, dass man solche Stellen nicht auf die heutige Zeit übertragen kann. In der Bibel sei noch manch anderes verboten oder tabu, etwa Scheidungen oder Frauen zu berühren, welche die Menstruation haben. Auch die Speisegebote oder -verbote halten wir längst nicht mehr ein, und Menschen mit Behinderungen oder Krankheiten gelten uns zur Recht auch nicht mehr als unrein. All dies ist längst nicht mehr zeitgemäss. Bei all unseren Interpretationen gilt es zu berücksichtigen, dass die Schriften beider Testamente zu ihrer Zeit zutiefst lebensdienlich und menschenfreundlich gemeint und verstanden wurden. Dementsprechend sind sie auch heute auszulegen.

«Überflüssige Initiative»
Der Kirchenrat hat zur Initiative keine Parole ausgegeben. Für Kirchenratspräsident Michel Müller ist die Initiative «überflüssig», denn sie wolle auf kantonaler Ebene etwas festschreiben, das zivilrechtlich eidgenössisch geregelt werde. Es sei nicht einzusehen, wie ein kantonaler Verfassungsartikel, wie er von der EDU angestrebt wird, auch nur irgendeine Ehe zu schützen vermöge. Es sei übertrieben, so Müller, die Ehe geistlich-sakramental aufzuladen. Die Reformation habe für die Ehe als ein «weltlich Ding» (Luther) gekämpft, also etwas, das sich im Lauf der Zeit weiterentwickle. Insbesondere seien biblische Ehe-Vorstellungen überhaupt nicht direkt übertragbar auf die heutige Zeit. Entsprechend sei es Sache der Gesellschaft, das Zusammenleben von zwei Menschen zu regeln.

In der Schweiz ist die zivile Heirat homosexueller Paare noch nicht möglich. Die Initiative «Ehe für alle» der GLP, die das ändern will, ist in den eidgenössischen Räten hängig. Die Zürcher Kirche ist gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gegenüber explizit offen und bietet kirchliche Segnungsfeiern an. Ob sie, nach einer zivilrechtlichen Anpassung in absehbarer Zukunft, mit Trauungen zwischen homosexuellen Paaren nachziehen würde, kann Michel Müller nicht mit Gewissheit sagen. «Doch es besteht eine grosse Wahrscheinlichkeit.»

«Erfolgsmodell ohne Alternative»
Gegen die Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren durch die reformierte Kirche ist hingegen Willi Honegger. Für den Pfarrer aus Bauma ist die Verbindung von Mann und Frau das – alternativlose – Erfolgsmodell der Menschheitsgeschichte schlechthin, sozusagen das «Ursakrament der Schöpfung», wie er es nennt. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften hingegen bildeten kein zukunftsfähiges Lebenskonzept für die Menschheit als Ganzes.

Dennoch mag sich Honegger nicht explizit für die EDU-Initiative stark machen. Würde darüber auf eidgenössischer Ebene abgestimmt, würde Honegger sie unterstützen. Auf kantonaler Ebene wertet er die Abstimmung aber lediglich als Stimmungsbarometer. Sie werde zeigen, wie in einem der liberalsten Kantone der Schweiz die Leute über die Homo-Ehe dächten. «Ich bin gespannt, wie hoch sie abgelehnt werden wird.»

Stefan Schneiter / reformiert. / 18. November 2016

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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