Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

«Unsere Leute sind Botschafter des Südens»

min
03.01.2017
Beat Dietschy, bis 2015 Zentralsekretär von «Brot für alle», prägt weiterhin die entwicklungspolitische Szene der Schweiz. Neu ist er Präsident der Organisation Comundo, die mehr als 100 Fachpersonen in die Länder des Südens entsendet.

Als Zentralsekretär von «Brot für alle» arbeiteten Sie in enger Kooperation mit dem katholischen Werk Fastenopfer. Es scheint, dass die Ökumene zu Ihrem Leben gehört?
Das konfessionell Trennende hatte tatsächlich für mich nie eine Bedeutung. Ich bin quasi ökumenisch sozialisiert worden. Noch bevor ich richtig Bapp sagen konnte, besuchte ich mit meinen Eltern Taizé.

Und nun wird der protestantische Theologe Dietschy Präsident des neuen Werks Comundo, das aus der Verschmelzung der beiden katholisch ausgerichteten Hilfswerke «Bethlehem Mission Immensee» (BMI) und «Inter-Agire» hervorgegangen ist.
Die Gegenüberstellung des protestantischen Theologen in einem katholischen Werk ist irreführend. Schon die BMI hat sich, so viel ich weiss, seit ihrer Gründung als Verein als Organisation aus einer christlichen Tradition verstanden, aber nicht «als Werk der katholischen Kirche». Im ihrem Leitbild tauchte das Wort katholisch nicht einmal auf. Die ökumenische Offenheit ist also nichts Neues. Das zeigt sich auch am Einsatz vieler Christen anderer Konfessionen in den verschiedenen Partnerländern.

Aber viele nehmen die BMI als katholisches Werk wahr. Sicher als ein progressives Werk, das sich vor allem der befreiungstheologischen Tradition der katholischen Kirche verpflichtet fühlt.
Von der Aussenwahrnehmung her wird die Befreiungstheologie oft als katholisch wahrgenommen. Das liegt an den Konflikten zwischen einzelnen Exponenten wie Leonardo de Boff und dem Vatikan. Indes sind bereits die ersten befreiungstheologischen Konzepte von protestantischen Theologen wie Rubem Alves aus Brasilien mit formuliert worden.

Nun hat sich die BMI einen neuen Namen gegeben. Was steckt dahinter?
Bei der Namensfindung war ich noch nicht miteinbezogen. Die Umbenennung war notwendig geworden, nachdem sich die BMI mit dem Tessiner Werk Inter-Agire zusammengeschlossen hat.

Gefällt Ihnen der Name «Comundo»?
Er passt gut zu unserem Werk. Darin klingt schon unser Programm an: Wir wollen weltumspannend mit den Menschen im direkten Austausch sein, wollen unseren Partnern auf gleicher Augenhöhe begegnen.

Also nicht Experten werden ausgesandt, die das westliche Entwicklungsmodell in den Süden tragen, sondern Partnerschaft bestimmt die Beziehungen?
Genau. Unsere Spezialität ist es, als führende Organisation der personenbezogenen Entwicklungszusammenarbeit Menschen in den Süden zu senden, die nicht sagen wollen, wo es lang geht. Im Gegenteil: Unsere Leute wollen sich auf den Kontext des Landes einlassen. Sie wollen gegenseitige Lernprozesse ermöglichen und bei ihrer Rückkehr die Fragestellungen des Südens in unsere Gesellschaft hineintragen. Viele Fachpersonen sagen: Wir sind mehr von den Menschen in unserem Gastland bereichert worden als umgekehrt.

Aber droht nicht bei jeder personenbezogenen Entwicklungszusammenarbeit die Gefahr von Paternalismus?
Dessen ist sich unsere Organisation bewusst. Wir setzen uns deshalb kritisch mit den eurozentristischen Bildern von Entwicklungszusammenarbeit auseinander. Jede Person, die in den Süden geht, wird vor ihrem Auslandseinsatz darauf vorbereitet.

Als kleines Werk ist es für Comundo eine besondere Herausforderung auf dem Schweizer Spendenmarkt zu bestehen. Immer mehr Gelder werden kanalisiert durch mediale Inszenierungen wie bei der Glückskette oder den vorweihnachtlichen Aktionen von SRF wie «Jeder Rappen zählt».
Das ist selbst für grosse Werke ein Problem. Damit werden viele entwicklungspolitische Belange in den Schatten gerückt. In Bezug auf Comundo habe ich weniger Bedenken: Mit unserem Alleinstellungsmerkmal der personenbezogenen Entwicklungszusammenarbeit verfügen wir über gute Botschafter, die aus den Ländern wie Bolivien, Philippinen oder Sambia zurückkommen und zum Sprachrohr des Südens im Norden werden.

Die Drehscheibe der Information ist hier das Oscar-Romero-Haus in Luzern. Lässt aber das Interesse an den Ländern des Südens im letzten Jahrzehnt nicht markant nach?
So pessimistisch sehe ich das nicht. Indes lässt es sich kaum abstreiten, dass sich ein Wandel ergeben hat. Aktuell sind in der Öffentlichkeit die Südthemen von zwei Schwerpunkten bestimmt: Migration und Flucht sowie humanitäre Hilfe . Da die Ereignisse im Nahen Osten großen Raum einnehmen, werden viele andere Weltgegenden ausgeblendet.

Das Präsidium einer Organisation mit mehr als 200 Mitarbeitenden ist eine große Herausforderung. Haben Sie nicht gezögert, für dieses Amt zu kandidieren?
Es war mir klar, dass ich das Amt nicht auf die leichte Schulter nehmen kann. Es hat mich aber gereizt wieder an ein Aufgabenfeld anzuknüpfen, in dem ich bereits Kompetenzen erworben habe. Besonders spannend finde ich, dass ich als Präsident des Vorstands die Möglichkeit habe, Verantwortung für die «Himmelsrichtung» wahrzunehmen, in die wir gehen.

Also bedeutete der Abschied von «Brot für alle» vor zwei Jahren überhaupt keine Zäsur?
So ist es nicht. Es gibt heute mehr Zeit fürs Privatleben. Und ich kann mich wieder mehr philosophischen und gesellschaftspolitischen Themen widmen. Zum Beispiel der Frage nach dem neuen Nationalismus, der allenthalben aufkommt.

Delf Bucher / reformiert. / 3. Januar 2017

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Unsere Empfehlungen

69-Jährige im neuen Look

69-Jährige im neuen Look

Das «Wort zum Sonntag» gehört zu den ältesten Sendungen von SRF. Jetzt wurde ihr Auftritt optisch überarbeitet. Über die alte Sendung in neuem Glanz.