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Haben die Solothurner Zwingli verraten?

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22.02.2017
Im Kanton Solothurn startet die Reformation verheissungsvoll. Ein Grossteil der Gemeinden folgte dem neuen Glauben. Mit der Niederlage bei Kappel wendet sich das Blatt. Reformierte Prediger werden vertrieben und es bleibt die Frage: Haben die Solothurner Huldrych Zwingli verraten?

Der Kanton Solothurn war über Jahrhunderte kein einheitliches Gebilde. Mal teilten sich die Bistümer von Basel, Konstanz oder Lausanne das Kirchengebiet zwischen Aare und Jura. Immer wieder stand das Solothurner Kirchengebiet unter dem Einfluss von Bern, Basel, dem ferneren Zürich oder Frankreich. Auch während der Reformation.

1481 tritt der Kanton Solothurn in die Eidgenossenschaft ein. Alle Gebiete der rechten Aareseite gehören zum Bistum Konstanz, die Stadt Solothurn selbst und ihr Umfeld zum Bistum Lausanne, die übrigen Kantonsteile zum Bistum Basel.

50 Jahre später kommt die Reformation in die Schweiz. 1523 wird Zürich reformiert; es folgen die Ostschweiz und Bern. Im Januar 1528 findet die Berner Disputation statt und der Mob zerstört in der Aarestadt die Heiligenstatuen. An der Fasnacht 1529 dringen die Basler ins Münster ein. Auch die Stadt der Humanisten wird reformiert.

Am 8. Februar 1528 entscheidet die solothurnische Obrigkeit, den Dörfern der Landschaft freie Glaubenswahl zu gewähren. Noch wichtiger ist ihr Mandat vom September 1529, in dem sie unter dem Druck von Bern die absolute Glaubensfreiheit einführt. Schon 1529 bekennen sich 18 solothurnische Gemeinden zum reformierten Glauben, 21 sind katholisch geblieben, und zehn warten auf einen Entscheid der Regierung. Zwei Jahre später gibt es im oberen Kantonsteil nur noch drei katholische Gemeinden, im unteren noch zwölf, darunter Olten und Schönenwerd mit dem Stift. Die Reformation ist auf dem Vormarsch.

Berner und Solothurner kamen zu spät

Am 11. Oktober 1531 wird der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli in der Schlacht von Kappel am Albis erschlagen. Die Berner eilen den Zürchern zu Hilfe, doch als sie am Albis antreffen, ist die Schlacht geschlagen. Mit dem Berner Heer ziehen auch die Solothurner. Bis heute hält sich das Gerücht, dass die Solothurner den Berner Vormarsch verzögert hätten. Solothurn erzielt grosse Gewinne durch die Vermittlung von Söldnern an die Franzosen, die von 1530 bis 1792 in der Stadt als Ambassadoren residierten. Zwingli jedoch bekämpfte die Reisläuferei aufs Äusserste.

Mit einem Sieg der Zürcher hätten die Solothurner ihr einträgliches Geschäft mit den Söldnern verloren. Jedenfalls gibt es den ausdrücklichen Befehl an die solothurnischen Truppen, auf keinen Fall in den Kampf einzugreifen. Später erlassen die fünf katholischen Orte der Innerschweiz den Solothurnern die Kriegsschuld von 800 Kronen unter der Bedingung, dass sie die reformierten Prediger wegweisen.

Nach Zwinglis Tod gehen die Auseinandersetzung zwischen dem alten und neuen Glauben auf Solothurner Gebiet weiter. In der Stadt Solothurn kommt es im November 1533 beinahe zum Blutbad, wenn sich nicht der katholische Schultheiss Niklaus von Wengi vor die Kanonen gestellt hätte, die auf die Reformierten am anderen Aareufer gerichtet waren.

Viele der Reformierten gehörten der bedeutenden Schiffleutezunft an, die damals den gesamten Handelsverkehr zwischen Neuenburg und Zurzach kontrollierte. Trotzdem weist der Rat in der Folge der Gegenreformation alle reformierten Prediger aus. Solothurn wird zur katholischen Destination.

Nur die Lostorfer und Stüsslinger bleiben bis 1536 reformiert, die Erlinsbacher noch länger. Bis 1564 bilden sie den Hort des Protestantismus auf dem heutigen Kirchengebiet der Solothurner Kantonalkirche.

Die Bucheggberger bleiben reformiert, weil dort Bern die hohe Gerichtsbarkeit innehat und das Recht, die Konfession zu bestimmen. In der Folge kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Bern und Solothurn um die «Landesherrlichkeit» am Bucheggberg.

Auch kulturell geht der Konflikt weiter: Wie die Appenzeller, die noch heute den «alten» Silvester nach dem julianischen Kalender 14 Tage später als der Rest der Welt feiern, halten die «Buchi-berge» von 1584 noch über 100 Jahre am alten julianischen Kalender fest.

Mit der Industrie kommen die Reformierten

1848 führt die neue Bundesverfassung die Niederlassungsfreiheit in der Schweiz ein. Erstmals können sich Reformierte in katholischen Gegenden niederlassen. In dieser Epoche hält im bis dahin reinen Agrarkanton Solothurn die Industrie Einzug. Von Roll baut in Gerlafingen, Matzendorf und in der Klus die Eisenindustrie auf. In Biberist kommt die Papierfabrik, in Derendingen Spinnereien. In Grenchen fasst die Uhrenindustrie Fuss. Im Niederamt gründet Bally sein Schuhimperium. Das alles brauchte Arbeitskräfte, die aus den umliegenden reformierten Kantonen Bern, Basel-Landschaft und Aargau kommen.

1856 beginnt der Aufbau eines Eisenbahnnetzes in der Schweiz. Olten wird zur Eisenbahnerstadt und zum wirtschaftlichen Zentrum im Kanton, das mit der Patrizierstadt Solothurn in Konkurrenz tritt. Der Kulturkampf beginnt.

Die neu entstandenen reformierten Kirchgemeinden sind zunächst «Kolonien» der Kirchen der reformierten Nachbarkantone: Solothurn von Bern, Olten und Balsthal von Basel, Schönenwerd von Aarau. In Olten beispielsweise gilt lange das Basler Liturgiebuch, die Pfarrer werden vom Basler Antistes in ihr Amt eingesetzt.

Die Gemeinden wachsen sprunghaft, ihre Infrastruktur hinkt hinterher. Die Pfarrpersonen sind extrem gefordert, sie verweilen oft nur für kurze Zeit im Kanton. Die reformierte Gemeinde Solothurn wächst von 24 Familienvätern bei der Gemeindegründung im Jahr 835 auf 4000 Mitglieder 50 Jahre später(1885). Grenchen zählt im Jahr 1850 68 Reformierte, 1905 sind dies 3052. Die Gemeinden teilen sich, neue entstehen.

Das Geld für Kirchenbauten und Pfarrergehälter kommt trotz grossen Anstrengungen der Einheimischen mehrheitlich von aussen. Hier spielten die Protestantisch-kirchlichen Hilfsvereine eine entscheidende Rolle. In den reformierten Kantonen sammeln sie Gelder für die Reformierten in der Diaspora. Viele Kirchen und Pfarrhäuser im Kanton Solothurn werden vom Erlös der jährlich  durchgeführten Reformationskollekten erbaut. Noch in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts stattet der Hilfsverein die Pfarrer mit Dienstautos aus, um die weit herum verstreuten Mitglieder schneller erreichen zu können.

Ulrich Wilhelm, Kirchenbote, 22.2.2017

 

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