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Pfingsten und der Geist

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25.05.2017
Als der Geist über die ersten Christen kam, feierten diese ekstatisch. Heute geht es in den Gottesdiensten eher nüchtern zu. Ein Widerspruch?

Mancher fragt: Wie kann ich an Gott glauben, wenn ich ihn nicht spüre und ich den Eindruck habe, mein Gebet bleibt an der Decke hängen? Ich denke, man sollte, das Wort «Wie» streichen, denn man kann an Gott glauben, ohne ihn zu spüren. Man sollte sogar, denn das «Wie» des Glaubens klingt nicht nur nach Erfahrung, sondern auch nach Methode, als wenn ich das Göttliche fassbar machen könnte. In diesem Fall wäre es gut, ein religiöses Gen zu haben, um Gott zu spüren und glauben zu können.

Was ist aber, wenn ich dieses Gen nicht habe? Bin ich dann unabänderlich jemand, der nicht glauben kann? Bin ich dann einfach jemand, der zum Glauben keinen Bezug finden kann, dem Religiosität und Transzendenz abgeht? In der biblischen Pfingstgeschichte lesen wir von einem religiösen Massenphänomen.

Tausende werden von einer Stimmung erfasst – so sieht es zumindest von aussen betrachtet aus. Ihr ekstatisches Verhalten lässt andere darauf schliessen, sie seien betrunken. Sie sehen es aber als göttliche Kraft an, die in ihnen wirkt: Heiliger Geist. Ist das der Weg, den der glaubende Mensch gehen muss?

Ich tue mich schwer damit und wohl nicht nur ich. Mir scheint hier etwas zu geschehen, das nicht repräsentativ für den christlichen Glauben ist. Hier geschieht Aussergewöhnliches. Wir haben hier einen Initiationsakt, man könnte auch sagen den Startschuss des Christentums. Wenn mein Glaube hingegen alltagstauglich sein soll, dann möchte er am Normalen anknüpfen. Geht das? Und was bedarf es dazu?

Halb scherzhaft kann man sagen: Wenn ich weder sonderlich religiös bin noch besonders ekstatisch, dann bin ich reformiert. «Frozen Chosen», unterkühlte Erwählte, so werden reformierte Christen manchmal leicht spöttisch genannt. Ich kann mich damit anfreunden. Glaube ist keine Sache der Emotionen, sondern ein Geschehen, welches ausserhalb von mir seinen Anfang nimmt und seinen Grund hat.

Weihnachten, Karfreitag, Ostern, Pfingsten und die anderen Feiertage, sie haben erinnernden Charakter. Was dort geschehen ist, übersteigt zwar mein Verständnis, aber ich höre etwas davon, dass Gott sich mit uns Menschen verbunden hat. An Pfingsten, dem Geburtstag der Gemeinde, entsteht ein neues Miteinander.

Wenn ich in einen Gottesdienst gehe, dann bin ich Teil dieser neuen Gemeinschaft der Glaubenden und kann mir durch das Wort und durch die Zeichen zusprechen lassen: Ich gehöre zur Gemeinschaft der Glaubenden.

Dafür brauche ich kein religiöses Gen, denn die Zusagen Gottes begegnen in Worten und Zeichen. Sie kommen auf mich zu und dringen durch das Ohr und die anderen Sinne in mich hinein. Und wenn das in mir etwas auslöst, dann würde ich es Glaube oder Zuversicht nennen.

Pfarrer Stefan Fischer, Bettingen, 23.5.2017

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