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«Casanova – ein Meister des Augenblicks»

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11.09.2017
Ein Besuch im Kloster Einsiedeln beeindruckte Casanova derart, dass er beschloss, fortan dort als Mönch zu leben. Doch eine Schöne aus Solothurn verhinderte dies. Thomas Hürlimann schrieb über diese Episode die Komödie «De Casanova im Chloster». Am 19. Oktober ist Uraufführung. Hauptdarsteller Zeno Schneider über die Liebe, die Kunst des Verführens und den Zölibat.

Herr Schneider, vor 26 Jahren spielten sie in Thomas Hürlimanns Stück «De Franzos im Ybrig» den jungen Schlachtenmaler Foulon. Gefällt es Ihnen, heute den angejahrten Casanova zu spielen?
Das ist für mich eine ebenso grosse wie genussreiche Herausforderung. Das Vierteljahrhundert liegt hinter Foulon und hinter mir. Allerdings ist Foulon seither stehengeblieben, ich hingegen bin 26 Jahre älter geworden. Es ergibt sich damit eine besonders gefärbte «Jugenderinnerung».

Zwischen diesen zwei Rollen gibt es sehr wohl Parallelen: die Kunst, Frauen zu bezirzen.
Foulon und Casanova bezaubern beide die Frauen, wobei Foulon eher das charmante Objekt ihrer unerfüllten Begierden ist, während Casanova seine Verführungskunst bewusst auf die Frauen ausrichtet und die lustvolle Begierde zu wecken sucht.

Warum konnte Casanova die Frauen so leicht verführen? Was war sein Geheimnis?
Ob er sie so leicht verführen konnte, weiss ich nicht. Dass es ihm immer wieder gelang, weist aber darauf hin, dass er diese Kunst perfekt beherrschte. Verführung stand bei ihm in jüngeren Jahren immer im Dienst der Zuneigung, die er nicht einfach behauptete, sondern tatsächlich zu empfinden schien. Das war wohl sein Geheimnis: Die Frauen zu lieben und sie dies ganz spüren zu lassen. In späteren Jahren wich diese erobernde Zuneigung einer teils verletzend arroganten Aggression.

Wäre ein Verführer à la Casanova heute noch möglich?
Ja, ich glaube, sinnliche Zuneigung wirkt auch heute unverändert und einnehmend. Sie muss dazu allerdings auch als solche spürbar sein, was in unseren Zeiten eher schwieriger geworden ist. Verführerische Sinnlichkeit lässt sich online schlecht übertragen und erleben.

Als Casanova das Kloster Einsiedeln besuchte, war es sofort bereit einzutreten. Es packte ihn. Doch die momentane Leidenschaft fürs Mönchsdasein hat nicht hingehalten. War der Zölibat dafür der Hauptgrund?
Hauptgrund für seinen Rückzug war wohl eher die Prägung durch sein bisheriges Leben. Der Zölibat betraf dabei nur einen Teil seiner sinnesbetonten Gewohnheiten, welche bei einem Leben in unbedingtem Gehorsam, in Gebet und Arbeit auf schwere Widerstände gestossen wären.

Hat der Zölibat heute noch eine Berechtigung?
Der Zölibat ist ein Konstrukt, welches erschwerende Hindernisse als seine grundsätzlichen Bedingungen enthält. Wem diese Bedingungen entsprechen, der mag den Zölibat heute noch berechtigt finden. Die den Zölibat erschwerenden Hindernisse gehören jedoch auch zu einem ausgefüllten, glücklichen und damit wohl «gottgefälligen» Leben. Der obligatorische Zölibat führt damit gleichsam gewollt in ein Dilemma.

Haben Sie in Ihrer langjährigen Praxis als Arzt auch Menschen erlebt, die es «packte», ihr Leben rigoros zu verändern?
Vorsätze sind häufig, deren Umsetzung deutlich seltener. Es gilt: «Ein Vorsatz hat mindestens zwei Nachsätze.» Wir alle verschieben ganztags deutlich mehr auf später, als was wir erledigen. Sonst brächen wir wohl unter unseren Plänen, Pflichten und Aufgaben zusammen. Die Gegenwart als das «Stattfinden» wahrzunehmen und ihre Angebote zu prüfen, anzunehmen oder abzulehnen bedeutet, im Dasein tatsächlich auch da zu sein. Wir wünschen uns das eher, als dass wir es wirklich können. Wenn es uns aber gelingt, fühlen wir uns «lebendig». Sowohl Zukunftspläne wie Erinnerungen vermögen uns dieses Lebensgefühl des bewusst erlebten Augenblicks nicht zu vermitteln. Casanova war vermutlich ein Meister des Augenblicks.

Ist «De Casanova im Chloster» Theater für jedermann, auch tief Gläubigen zumutbar?
Das Stück kratzt nicht am Glaubensbekenntnis und ist weder religionskritisch noch blasphemisch, auch wenn die Madonna gelegentlich im Mittelpunkt steht. Was sie im Stück als Muttergottes sagt, könnte tatsächlich ihre Antwort auf viele unserer Fragen sein.

Betty Peter, kirchenbote-online, 11. September 2017

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