Wissenschaft ist methodische Wahrheitssuche. Die Naturwissenschaften wollen wissen, wie Vorgänge in der Natur funktionieren. Dazu entwickeln sie Hypothesen und prüfen diese. So wird aus der Hypothese eine These. Aus Thesengebäuden werden Theorien. Theorien bleiben immer Theorien, sie bilden Wirklichkeit nicht einfach ab. Auf diese Weise haben die Naturwissenschaften enorme Erkenntnisgewinne erzielt.
Die neuzeitliche protestantische Theologie hat naturwissenschaftlicher Forschung nur selten Fesseln anzulegen versucht; sie wirft ihr ihre methodische Gottlosigkeit nicht vor. Denn aus Gründen der Überprüfbarkeit müssen die Voraussetzungen von naturwissenschaftlichen Hypothesen möglichst sparsam sein; «Gott» ist aber keine sparsame Voraussetzung, sondern eine überaus vieldeutige. Diese Vieldeutigkeit Gottes zu vereindeutigen, kann keine naturwissenschaftliche Aufgabe sein; denn Gott ist nicht Natur.
Aus demselben Grund dürfen und können die Naturwissenschaften aber auch nicht «Gott spielen». Sie erzeugen weder Sinn-, noch Wertekulturen, sondern naturwissenschaftliches Faktenwissen. Dieses aber verändert mithilfe der Technik und der Ökonomie die Welt massiv; es schafft Kultur. Die technische Kultur zu analysieren, sie mit Sinn- und Werteorientierungen zu deuten, gegebenenfalls zu korrigieren und Steuerungsvorschläge zu machen, ist Aufgabe der Geisteswissenschaften, darunter nicht zuletzt der Theologie.
Der Bedarf dafür ist gross, ja riesig. Aber die Schwierigkeiten, die sich solchen Orientierungsversuchen in den Weg stellen, sind es nicht minder. Öffentlichkeiten sind fragmentiert, Religion und Werte sind pluralisiert. So schlägt die Stunde der grossen Vereinfacher: «intelligent design» statt «Evolutionstheorie», Ideologie statt Theorie, Glauben statt Wissen. «Fake News» allenthalben.
Wirklich Glaubende wissen zu unterscheiden: Gott ist eine Sinn-Wirklichkeit, die Sinn-Wirklichkeit: «der Sinn des Sinns»; keine naturwissenschaftliche Hypothese.
28.10.2017/Georg Pfleiderer
Naturwissenschaften und Gott