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Die Vorurteile fallen

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05.01.2018
Über Jahre prägten Vorurteile die Beziehung. Heute rücken Frei- und Landeskirchen enger zusammen, stellt Religionsexperte Georg Schmid fest.

Am Anfang stand der gemeinsame Ruf zurück zur Bibel. Doch während der Zürcher Reformation kam es zur Spaltung. Zwinglis einstige Weggefährten wie Konrad Grebel und Felix Manz verpflichteten sich zur Gewaltlosigkeit und lehnten das Schwören grundsätzlich ab. Sie gründeten die ersten Täufergemeinden. Der Staat und seine Kirchen sahen sich bedroht, richteten die Führer hin und verfolgten die Täufer unbarmherzig. Über Jahrhunderte war das Verhältnis zwischen der Landes- und den Freikirchen anfangs von Vertreibung, später von Verachtung und Missbilligung geprägt. Bis heute spürt man die Nachwehen. Der grösste Unterschied zwischen den evangelischen Lagern sei der Umgang mit der Bibel, sagt Georg Schmid, von der Beratungsstelle relinfo. «Freikirchler betonen die Einheit des Neuen Testaments, das für immer gilt, auch für heute. Landeskirchler unterscheiden zwischen ewig Gültigem und Zeitbedingtem.» Doch auch die Freikirchen machten inzwischen Zugeständnisse an die gesellschaftliche Veränderung. «So tragen Frauen in den Gottesdiensten keine Kopfbedeckung mehr. Und predigende Frauen sind keine Seltenheit», sagt Schmid. Für die evangelikale Theologie beginnt das Christsein mit der Bekehrung zu Gott. Georg Schmid hält es für einen Mythos, dass nur die Volkskirchen kleiner werden. «Auch Freikirchen verlieren Gläubige – vor allem an andere Freikirchen.» Sie erwarteten Engagement, «das Christsein, soll sich in der Mitarbeit in der Gemeinde zeigen». Passivmitglieder und Karteileichen seien nicht erwünscht, stellt Georg Schmid fest.Noch vor wenigen Jahren galten die Freikirchen als Sekten. Zu Recht? Nein, sagt Schmid. «In diese Kategorie gehören sie nicht. Ihre Leiter halten sich nicht für unfehlbar und sie überwachen keine Gemeindeglieder.» Die Freikirchen haben einen Wandel vollzogen. In den Siebzigerjahren verdammten die Prediger die Popkultur als satanisch, heute dröhnt Rock und Techno bei der Evangelisation. «Die alten biblischen Argumente sind in der Mottenkiste der Geschichte verschwunden», sagt Schmid. Ähnliches gelte  für die Rolle der Frau, da seien die Freikirchen mehrheitlich aufgeschlossen. Differenzen zu den Reformierten bestünden in der Frage homosexueller Partnerschaften. Heute sei die Beziehung zwischen den Evangelikalen und Reformierten enger geworden, stellt Georg Schmid fest. Dies führt er nicht zuletzt auf die gesellschaftlichen Umstände zurück, die alle betreffen: Säkularisierung, Multikulturalität, Wertewandel und Mitgliederverlust. «Das schweisst zusammen.»

Tilmann Zuber, Kirchenbote, 5.1.2018

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