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Die Bilderscheu der Zürcher Reformatoren

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20.02.2018
Wie hat Zwingli ausgesehen? Schaute er wirklich so mürrisch und ernst in die Welt, wie ihn das bekannte Porträt von Hans Aspers zeigt? Die Ausstellung im Zürcher Landesmuseum «Gott und die Bilder» legt nahe, dass Asper den Zürcher Reformator ganz gut getroffen hat.

Franz Rüeb ist ein Altlinker, ein Agnostiker. Und – das überrascht – ein Liebhaber des Reformators Ulrich Zwingli. Vergangenes Jahr hat er eine hymnische Biografie dem Reformator gewidmet. Mit dem weithin bekannten Porträt von Hans Asper wollte er sich nicht einverstanden erklären. Für Rüeb ist das verpfuschte Malerei. Der porträtierte Zwingli sei «streng, eckig, unpersönlich, leblos, unsinnlich, beinahe unmenschlich» dargestellt. Und deshalb setzt Rüeb auf eine Alternative, auf das Bildnis von Albrecht Dürer, das heute in der National Gallery Washington hängt und einen jungen Pfarrer zeigt mit weltoffenem, dynamischen  Blick, der Tatkraft ausstrahlt.

Stapfer kannte Zwingli persönlich

Das Landesmuseum will nun aber in seiner Schau «Gott und die Bilder» Rüeb und andere, die allzugerne auf das Zwingli zugeschriebene Dürerbild setzen, einen Gegenbeweis liefern. Denn da ist auch noch die Gedächtnismedaille von Jakob Stampfer von 1531. Stapfer kannte Zwingli persönlich und sein Porträt im Profil, so vermutet es die Kuratorin des Landesmuseums, Erika Hebeisen, dürfte Asper als Vorlage gedient haben. 

Franz Rüeb und alle anderen, die auf Dürer statt Asper setzen, müssen sich von ihrer liebgewordenen Illusion trennen. Die ganze Geschichte zeigt auch, wie sehr unsere Vorstellung von Menschen  von dessen äusseren Physiognomie her modelliert werden. 

Bilderverbot und Bescheidenheit

Warum aber finden sich keine von Zwingli gemalten Porträts zu seinen Lebzeiten? Sicher spielt hier das konsequente Bilderverbot  des Theologen hinein. Und auch seine Bescheidenheit. So schrieb er einmal: „Vor dem Herrn bezeuge ich: wenn dann meine Schriften von allen gelesen wären, so wünschte ich, mein Name geriete allenthalben wieder in Vergessenheit." Was für ein Unterschied zu Martin Luther, der auch bildmässig Public Relations um seine Person im grossen Stil betrieb. Dutzendmal wurde er porträtiert vom Meister Lukas Cranach und seinen Schülern. Das Atelier des grossen Malers war so etwas wie die visuelle Propagandamaschinerie der Reformation.

Aber schon bei Heinrich Bullinger war die Bilderaskese nicht mehr so konsequent. Von ihm gibt es aus verschiedenen Lebensphasen Porträts. Und der Schwiegersohn von Ulrich Zwingli, Rudolph Gwalther, der Zwinglis Tochter Anna heiratete, liess sich selbst wie auch Mutter und Kind von Asper porträtieren. Das Bild von Mutter und Tochter hängt nun in der Ausstellung des Landesmuseums – als Paradebeispiel für das protestantische Pfarrhaus, zu dem nun Ehefrau und Kinder geradezu unabdingbar dazu gehören. 

Aber das Bild erzählt noch eine ganz andere Geschichte. Ein reicher Reformationsgesinnter aus England, der einige Monate studienhalber in Zürich verweilte,  wohnte bei Gwalther und hatte auch diese Bilder gesehen. Nach seiner Abreise wünschte er sich in einem Brief eine Reproduktion von Gwalther und dazu noch Porträts von Huldrych Zwingli, Konrad Pellikan, Theodor Bibliander und Heinrich Bullinger. Hans Asper machte sich unverzüglich daran, diese Porträts zu malen. Nun aber kamen bei den Porträtierten reihenweise Skrupel auf. Sie fürchteten sich vor Bilderkult, aber auch davor, als ehrsüchtig zu gelten. 

Keiner kniet vor Karl dem Grossen

Der Engländer Christopher Hales reagierte brieflich darauf: «Wer verehrt den Hahn auf der Münsterspitze, wie dein Schwiegervater Zwingli, der grösste Feind der Bilderverehrung, richtig bemerkt? Wer wirft sich verehrend nieder vor eurem Karl, der oben am Grossmünster sitzt ?» Und er versprach, falls in seiner Bibliothek jemand sich vor die Bilder der Zürcher Reformatoren verehrend niederwerfen würde,  dann würde er die Porträts «mit meinen eigenen Händen in tausend Stücke zerkleinern.»

Wahrscheinlich ist von den gewünschten Bildern nur das von dem verstorbenen Zwingli angekommen. In dem Brief ist aber zu lesen, dass die Bilder der anderen schon gefertigt waren und von ihnen einbehalten wurden.  So hat der Auftrag der Engländer wenigstens erreicht, dass im bilderasketischen Zürich eine Ahnengalerie der Reformatoren entstanden ist. 

Delf Bucher, reformiert.info

  

 

 

 

 

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