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In Basel herrscht Wohnungsnot

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26.04.2018
Am 10. Juni entscheiden die Basler Stimmberechtigten, ob künftig in der Basler Verfassung ein Recht auf Wohnen verankert ist. Die Sozialdiakone der Evangelischen Kirche unterstützen die Initiative.

Am 10. Juni entscheiden die Basler Stimmberechtigten, ob künftig in der Basler Verfassung ein Recht auf Wohnen verankert ist. Die Sozialdiakone der Evangelischen Kirche unterstützen die Initiative.

Toni Schürmann

Wohnen ist wichtig. Denn Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis – direkt nach Luft, Wasser, Nahrung und Kleidung. Damit Wohnen in Basel auch in Zukunft für Menschen aller Einkommensklassen und sozialer Schichten erschwinglich bleibt, lancierte eine Gruppe aus dem Netzwerk Wohnungsnot die Initiative «Recht auf Wohnen» und will dieses Recht in der Verfassung verankern. Geht es nach dem Diakoniekapitel der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt, braucht es diesen Verfassungszusatz unbedingt. Die Zahlen untermauern dies: Das Bundesamt für Wohnen definiert Wohnungsnot bei unter 1 Prozent Leerstandsquote. Gemäss Statistischem Amt Basel-Stadt lag 2017 die Quote leerer Wohnungen bei 0,4 Prozent. In Basel herrscht also Wohnungsnot. Besonders stark betroffen sind Alleinstehende, Alleinerziehende und Grossfamilien, aber auch ältere Menschen und Working Poor.

Schwierige Wohnungssuche

Die beiden Sozialdiakoninnen Mirjam Baumann und Pia Diezig sind mit dem Problem Wohnungsnot fast täglich konfrontiert. Die Suche nach Wohnraum gehört quasi zum -diakonischen Alltag. «Wohnungsverlust kann jeden treffen», sagt Mirjam Baumann vom -Sozialdienst der Kirchgemeinde Kleinbasel und Mitglied im Vorstand des Diakoniekapitels. Sie kennt Menschen, die nach dem Verlust des Arbeitsplatzes ihre langjährige Wohnung aufgeben mussten, weil sie vom Budget her einfach nicht mehr drin lag. Ihre konkreten Erfahrungen im Umgang mit Wohnungssuchenden haben Baumann bewogen, zur Mitinitiantin von «Recht auf Wohnen» zu werden. Pia Diezig vom Sozialdienst der Kirchgemeinde Basel-West doppelt nach: «Ich bin überzeugt, dass Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, die Steuerzahlenden längerfristig mehr kosten.» Ihre Erfahrungen als Präsidentin des Vereins IG Wohnen haben ihr gezeigt, wie wichtig die Wohnung für einen Menschen ist.Die Initiantinnen und Initianten von «Recht auf Wohnen» wollen das Grundrecht auf bezahlbaren Wohnraum für in Basel-Stadt angemeldete Personen in der kantonalen Verfassung verankern. Der 1992 von der Schweiz ratifizierte UN-Sozialpakt und die Sozialziele der Bundesverfassung definieren zwar ein Recht auf angemessenen Wohnraum zu tragbaren finanziellen Bedingungen, daraus lässt sich jedoch noch kein Rechtsanspruch ableiten. Am 7. Juni 2017 wurde deshalb die kantonale Initiative mit 3218 beglaubigten Unterschriften eingereicht. Am 10. Juni 2018 kommt sie zur Abstimmung. 

Kanton in der Verantwortung

Die Initiative will, dass der Kanton Basel-Stadt das Recht auf Wohnen in seiner Verfassung verankert. Bisher steht in der Verfassung lediglich: «Die Grundrechte sind gewährleistet, namentlich der Schutz des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Kommunikation.» Neu soll der Kanton in die Verantwortung genommen werden, die zur Sicherung dieses Rechtes notwendigen Massnahmen zu treffen. Alle in Basel-Stadt wohnhaften und offiziell gemeldeten Menschen sollen Zugang zu einem ihrem Bedarf entsprechenden Wohnraum haben, dessen Mietzins ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigt. Gemäss Budgetberatung Schweiz darf höchstens ein Drittel des Haushaltseinkommens für Wohnen ausgegeben werden. Wie der Kanton das Recht auf Wohnen sichern soll, wird im Initiativtext nicht vorgegeben.Mühe mit der Initiative hat Patricia von Falkenstein, LDP-Präsidentin und Mitglied im Vorstand des Hauseigentümerverbandes: «Mit der Initiative ‹Recht auf Wohnen› muss der Staat allen in Basel-Stadt gemeldeten Einwohnern eine günstige Wohnung garantieren. Dies hätte eine enorme Sogwirkung auf Wohnungssuchende im In- und Ausland. Die Forderung ist realitätsfremd und nicht umsetzbar.» 
Die Sozialdiakoninnen und Sozialdiakone der Basler Kirchgemeinden hingegen befürworten die Initiative. Die Wohnungsnot ist für sie derzeit allgegenwärtig. Ihre Arbeit ist geprägt von menschlichen Schicksalen. So sind sie zum Beispiel oft konfrontiert mit Menschen, die ihre Arbeitsstelle verloren haben. Diese Menschen müssen nicht nur den Schicksalsschlag des Verlusts verarbeiten, sondern können sich oft mit dem Arbeitszins nicht mehr leisten.
Andere sind durch Totalsanierungen von Kündigung bedroht. Zu wissen, dass sie ausziehen müssen, ohne dass eine bezahlbare Wohnung in Aussicht ist, führt zu Existenzängsten. Diese Sorgen tragen die Menschen in die Seelsorge, in die diakonische Sozialberatung, in diverse Gruppenangebote. Nicht selten sehen sich Menschen gezwungen, aus Basel wegzuziehen, was mit dem Verlust wertvoller sozialer Beziehungen einhergeht. All dies zu ignorieren, wäre für Mirjam Baumann und Pia Diezig ein Missachten diakonischer Pflicht.

26.04.18 / Toni Schürmann

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