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Rita Famos: «Ich passe besser zur neuen Verfassung»

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13.06.2018
Pfarrerin Rita Famos leitet die Abteilung für Spezialseelsorge der Landeskirche Zürich. Bei den Wahlen um das Präsidium des Kirchenbunds tritt sie gegen Amtsinhaber Gottfried Locher an. Sie sagt, sie passe besser zum Amt, wie es die neue Verfassung definiert.

Frau Famos, Sie waren bereits von 2011 bis 2014 im Rat des Kirchenbunds. Warum wollen Sie zurück?
Im Frühling hat die Abgeordnetenversammlung in der Verfassungsdiskussion das Profil der Leitung nochmals geschärft. Die geistliche Leitung wurde auf Synode, Rat und Präsidium aufgeteilt. Zudem braucht es im Präsidium nicht zwingend eine ordinierte Pfarrerin oder einen ordinierten Pfarrer. Die Änderungen am Verfassungsvorschlag des Rates haben die Ausgangslage verändert. Die Abgeordneten sollen entscheiden können, welche Person besser zur neuen Verfassung passt.

Und Sie passen besser?
Ja. Ich war leidenschaftlich gerne Gemeindepfarrerin, weshalb ich noch immer regelmässig predige. Als Leiterin der Spezialseelsorge der Zürcher Landeskirche leite ich einen Betrieb mit rund 80 Mitarbeitenden. Ich will die Gemeinschaft stärken und einen Konsens herstellen, bevor ich in die Öffentlichkeit gehe. Als ich im Kirchenbund war, habe ich es als Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz geschafft, die Taufanerkennung mit den Katholiken zu erneuern und auf Lutheraner, Methodisten und Anglikaner auszuweiten. Das war nur möglich, weil wir über alle theologischen Differenzen hinweg konstruktiv und vertrauensvoll zusammengearbeitet haben. Und ich habe ein anderes Führungsverständnis als Gottfried Locher.

Können Sie sich denn vorstellen, dass nicht eine Pfarrerin oder ein Pfarrer die Reformierten in der Schweiz repräsentiert?
Es ist ein urreformatorisches Anliegen, dass auch Laien Glaubensimpulse setzen. Die beschlossene Regelung entspricht der Vorstellung vom Priestertum aller Gläubigen. Viele Landeskirchen lassen das Kirchenratspräsidium ja auch für alle offen. Darunter auch die grossen Kirchen Bern und Zürich.

Und trotzdem werden dort immer Theologen gewählt.
Genau. Das ist eben urprotestantisch: Wenn uns Pfarrerinnen und Pfarrern das Charisma zugetraut wird, dass wir verkündigen, begeistern und motivieren können, aber auch etwas von Führung und Management verstehen, werden wir in Leitungsfunktionen gewählt. Es ist wie in den Spitälern, wo gefragt wird, ob ein Manager oder ein Arzt den Betrieb leiten soll. 

Aber der Manager muss nicht operieren. Schicken die Reformierten dann ihre Laienpredigerin zum ökumenischen Festgottesdienst?
Nein. Dann müsste halt geregelt werden, welche Pfarrerin diese Aufgabe übernimmt, so wie das Kantonalkirchen machen, die von keinem Pfarrer geleitet werden.

Das klingt kompliziert.
Richtig, es ist sicher nicht das Ideal. Ich kandidiere ja gerade deshalb, weil ich es wichtig finde, dass eine Ordinierte an der Spitze der Evangelischen Kirche Schweiz steht. Doch ich finde es ebenso wichtig, dass wir Pfarrerinnen und Pfarrer nicht einfach einen Anspruch haben, sondern wir uns bewähren müssen. Ich engagiere mich seit Jahren dafür, dass sich das Pfarramt für Leitungsfunktionen interessiert.

Und wie führen Sie?
Ich führe nach dem Prinzip der Prophezey und nicht nach dem Modell Wartburg. Zwingli hat die hellsten Köpfe versammelt und die Bibel übersetzt. Luther hingegen zog sich – freilich gezwungenermassen – in die Wartburg zurück.

Und Gottfried Locher sitzt auf der Wartburg?
Diesen Eindruck habe ich. Er hat drei wichtige Themen lanciert: Bischofsamt, die Doppelmoral rund um die Prostitution und die Gefahr der Feminisierung der Kirche. Er hat aber nur Provokationen gesetzt und sich danach der Debatte nicht gestellt. Deshalb blieben die Themen einfach am Köcheln, ohne dass wir in den vier Jahren wirklich weiter gekommen sind. Wenn ich finde, dass sich die Kirche zur Prostitution äussern soll, dann versammle ich zuerst Fachleute, bilde mir eine Meinung und konsultiere den Rat. In einer solchen Funktion kann man nicht trennen zwischen Amt und persönlicher Meinung. Das kann ich auch nicht als Pfarrerin auf der Kanzel.

Und mit der Feminisierung hat die Kirche wirklich ein Problem?
Zurzeit nicht. Schauen wir die Fakten an, so haben wir noch immer mehr Pfarrer als Pfarrerinnen, und in den Führungspositionen fehlen die Frauen weiterhin oft. Im Studium beginnt es zu kippen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass der Pfarrberuf für beide Geschlechter attraktiv bleibt. Wir brauchen eine diverse Kirche. Das gilt übrigens auch politisch.

Apropos: Braucht die Schweiz ein Burkaverbot?
Die Burka passt nicht in unsere offene Gesellschaft, in der wir das Gesicht zeigen und Frauen und Männer gleichberechtigt sind und damit auch frei, wie sich kleiden wollen. Ich bin aber sehr zurückhaltend mit Verboten. Über ein Burkaverbot können wir diskutieren, wenn es in der Schweiz so viele Burkas gibt, dass unsere Sicherheit und unsere Werte bedroht sind.

Sollten muslimische Gemeinden öffentlich-rechtlich anerkannt werden?
Zuerst braucht es akademische Ausbildungsmöglichkeiten für Imame in der Schweiz. Ein wichtiger Schritt ist, dass nun sorgfältig ausgewählte und entsprechend ausgebildete Imame in Spitälern und Gefängnissen seelsorgerisch tätig sein können. Ich glaube, dass unter diesen Bedingungen die bosnischen Muslime anerkennungsfähig sind. Wir müssen solche Gemeinschaften aus der Ecke herausholen, in der sie noch immer unter Generalverdacht stehen, eben doch Terroristen zu sein.

Interview: Felix Reich, reformiert.info, 13. Juni 2018

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