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Von Bier, Haferbrei und Eingebungen auf der Kloake

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13.08.2018
Luther war ein sinnesfreudiger Mensch. Er liebte das Essen, Trinken und litt unter chronischer Verstopfung. Steckt da gar das Geheimnis seiner Reformation?

Es war 2004 eine kleine archäologische Sensation: An der Südseite des Lutherhauses in Wittenberg entdeckte man in den Ruinen des Turms ein Klo. 50 Zentimeter hoch, gemauert mit Holzsitz und Abfluss, wie der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete, gebaut um 1515.

Die Entdeckung des Aborts wäre nichts Aussergewöhnliches, denn auch Augustinermönche und spätere Reformatoren müssen einmal für kleine Jungs. Doch auf diesen 50 Zentimetern ereignete sich Weltgeschichte statt. In der Turmstube verfasste Luther zahlreiche seiner Schriften, etwa die 95 Thesen. Und als er hier auf der Toilette den Römerbrief studierte, ging ihm auf, dass der Mensch allein aus Gnade Gottes gerettet werde. Später schreibt Luther: «Diese kunst hatt mit der Spiritus Sanctus auf diss Cloaa eingegeben.» Sein angeblicher Aufschrei «ich bin hindurch, ich bin hindurch» ist jedoch nirgends dokumentiert.

Meinte Luther das päpstliche Rom?

Entstand eine der wichtigsten Erkenntnisse des Christentums wirklich auf dem stillen Örtchen? Möglich wäre es, denn der unter chronischer Verstopfung und später am Magen-Darm leidende Luther sass hier vermutlich manche Stunde. Für die späteren Historiker und Theologen war die Vorstellung dieser «Cloaca» unerträglich. Martin Luther habe dies im übertragenen Sinne gemeint, erklärten sie. Mit dem Begriff habe der Reformator Rom bezeichnet, die Zustände in der Vatikanstadt hatten den Augustinermönch schockiert.

Toilette oder Rom? Luthers Einsicht, dass nicht Ablass und gute Taten sondern allein der Glaube den Menschen vor Gott retten, gingen viele Gespräche und Studien voraus.  Als er im Wintersemester 1513 seine Vorlesung zum Römer 1,17 vorbereitet, schreibt er: «Da endlich! Nach tage- und nächtelangem Nachsinnen kam es mir. Jetzt verstand ich, was Gerechtigkeit Gottes heisst: Sie ist das Geschenk, das den Menschen gerecht macht! Bevor du dir Christus zum Vorbild und Lebensbeispiel machst, musst du ihn annehmen und erkennen als eine Gabe und ein Geschenk, das dir von Gott gegeben wird und dir gehören soll.»

«Ich fresse wie ein Böhme»

Historisch belegt ist, Luther war kein Kostverächter. Er liebte das Essen und Trinken. Zahlreiche Trinksprüche gehen auf ihn zurück. Und seiner Frau Katharina von Bora schrieb er von unterwegs: «Ich fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher.»

Zum täglichen Leben gehörten im späten Mittelalter Brot und Salz. Auf den Tisch der Armen kam wässriger Haferbrei. Da das Wasser oft verunreinigt war, trank man Wein und Bier, das beim Brauen abgekocht wurde. Fleisch wurde haltbar, wenn man es pökelte, trocknete und räucherte. Die teuren Gewürze Pfeffer, Safran oder Zucker, die aus dem Orient stammten, genossen nur die Reichen. Gegessen wurde mit Löffel, Messer und den Fingern, denn die Gabel galt lange Zeit als Werkzeug des Teufels. Doch wer glaubt, die Menschen lebten im 16. Jahrhundert in Völlerei, der irrt. Schon allein die jährlich bis zu 100 Fastentage und Hungersnöte sorgten dafür, dass der Gürtel nicht zu eng wurde.

Des Reformators Leibspeise war Brathering mit Erbsenbrei. «Seine Erzköchin» wie er seine Frau nannte, sorgte dafür, dass im Hause Luther die Familie und die zahlreichen Gäste und Studenten versorgt wurden. Die ehemalige Nonne managte den Haushalt, bewirtschaftete den Gemüsegarten und die Felder, räucherte Schinken, lagerte Getreide und braute Bier. Katharina Bora legte Wert auf Eigenproduktion, denn Luthers Einnahmen waren trotz dem reissenden Absatz seiner Schriften bescheiden.

Tilmann Zuber, kirchenbote-online.ch, 13. August 2018

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