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Behutsame Sondierung eines heiklen Terrains

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14.09.2018
Sollen homosexuelle und lesbische Paare heiraten dürfen? Ein Podium in Bern zeigte einmal mehr: In kirchlichen Kreisen sind die Meinungen geteilt.

Die vier Personen auf dem Podium mochten sich keinen harten Schlagabtausch liefern, das wurde schnell klar. Die liberale Seite war vertreten durch den christkatholischen Pfarrer Nassouh Toutoungi aus La Chaux-de-Fonds, der selber in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt, und durch Christina Aus der Au (Frauenfeld), die als evangelisch-reformierte Theologin an der Universität Zürich lehrt. Der Theologe Stefanos Athanasiou aus Bern stand für die orthodoxe Kirche, die in der betreffenden Angelegenheit – «zumindest in jenen Weltgegenden, wo sie die Mehrheit hat» – eine konservative Haltung einnimmt. Der Theologe Jürg Bräker aus Gümligen vertrat die Mennoniten; er zeigte sich dem Thema gegenüber offen, gab aber auch zu verstehen, dass er sich noch keine abschliessende Meinung gebildet habe.

Die Politik gibt den Takt vor
Das streckenweise tastende, ja zaghafte Gesprächsklima auf dem Podium war symptomatisch. Denn bekanntlich ist das Thema gerade in kirchlichen Kreisen ein Minenfeld. Es lautet: Sollen auch Homosexuelle und Lesben heiraten und Kinder adoptieren dürfen? Ein Antrag der Grünliberalen Fraktion im Nationalrat liegt vor, die Rechtskommission empfiehlt eine schrittweise Umsetzung, und bis im kommenden Frühjahr soll eine konkrete Vorlage erarbeitet werden. Ein von der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen im Kanton Bern organisiertes Podium hat nun der Frage nachgespürt, wie man sich aus christlicher Sicht dazu stellen soll.

Die Positionen gewannen an Profil, als Moderatorin Rita Jost den Ball dem Publikum zuspielte. Er orte bei den Podiumsteilnehmern eine «gewisse Ratlosigkeit», sagte ein Votant. Diffus sei vom Prinzip der «Gemeinschaft» die Rede, das den Diskurs bestimmen solle. Nun aber sei er nicht einfach Mitglied eines beliebigen Vereins. Als Methodist stehe er vielmehr in einer christlichen Gemeinschaft, wo klar der Glaube im Zentrum stehe. In der Bibel sei die Ehe mit dem Auftrag der Fruchtbarkeit verbunden. Deshalb könne es «Ehe» im wahren Sinn nur zwischen Mann und Frau geben.

«Was sagt Gott dazu?»
Unterstützung erhielt der Sprecher von einer Frau, die zwar betonte, dass sie niemanden verurteile, der sein Leben nach seinen Vorstellungen gestalte. Dennoch komme «Ehe für alle» für sie nicht in Betracht. «Wie kann es einen kirchlichen Segen für etwas geben, das nicht in Gottes Absicht liegt?» Eine weitere Votantin gab zu bedenken, dass sich die Kirche nicht einfach nach dem Zeitgeist richten dürfe. Vielmehr habe sie sich an Gottes Wort zu orientieren. Was denn zu den Bibelstellen zu sagen sei, in denen die gleichgeschlechtliche Liebe deutlich verurteilt werde?

Pfarrer Toutoungi entgegnete, dass sich der Begriff der «Fruchtbarkeit» auch auf anderes als allein auf das Kinderkriegen anwenden lasse. Und Christina Aus der Au machte klar, dass sich die wenigen homofeindlichen Äusserungen in Neuen Testament nicht auf liebevoll gelebte gleichgeschlechtliche Beziehungen bezögen. Gemeint sei die in der damaligen hellenistischen Welt gängige Ausbeutung von Lustknaben durch bedeutend ältere Männer.

«Verbannt auf die hinterste Bank»
Auch mehrere Befürworter der «Ehe für alle» meldeten sich zu Wort. Es schmerze ihn, dass er als Homosexueller in der Kirche gerade so knapp toleriert werde und bildlich gesprochen auf der hintersten Bank sitzen müsse, sagte ein Betroffener. Von Gleichberechtigung sei man in manchen christlichen Gemeinschaften noch weit entfernt. Ein anderer Mann sagte: Einsegnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren seien in Kirchen möglich, eigentliche Trauungszeremonien dagegen nicht. Das trage nach wie vor zur Stigmatisierung von Homosexuellen bei.

Die Frage beschäftigt auch in Zukunft: Wie sollen Kirchen mit der Forderung «Ehe für alle» umgehen? Für Pfarrer Nassouh Toutoungi ist klar: «Ehe, auch die gleichgeschlechtliche, ist ein Verfassungsrecht, punkt.» Der mennonitische Theologe Jürg Bräker hielt fest: «Dieses Thema könnte manche unserer Gemeinden spalten.» Und der orthodoxe Theologe Stefanos Athanasiou erklärte: Seine Kirche vertrete die Haltung, dass Homosexuelle nicht verfolgt werden dürften. Ehe aber sei die Verbindung von Mann und Frau.

Hans Herrmann, reformiert.info, 14. September 2018

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