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«Christliche Langzeitbeziehungen haben Potenzial»

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26.04.2019
Das Angebot der Sexologin Veronika Schmiedt richtet sich an langjährige Paare. Die gemeinsame Erotik sei einer der Schlüssel zur erfüllten Beziehung, ist die Schaffhauserin überzeugt.

 

Kirchenbote: Sex und Sexualität begegnen uns heutzutage überall: im Internet, per Dating-App auf dem Smartphone, in Ratgeberartikeln der Boulevardzeitungen. Warum fällt es den meisten Menschen immer noch so schwer, offen darüber zu sprechen?
Veronika Schmidt: Sprechen über Sex ist, wie alles im Leben, Übungs­sache. Es kommt sehr darauf an, ob wir sprachfähige Vorbilder in unserer Jugendzeit erlebt haben und sinnvolle Informationen über Sex erhielten. Und ob wir zum Sprechen über Sexualität ermutigt wurden. Wenn nicht, sind wir befangen und müssen uns erst von einer gewissen Scham befreien. Dazu kommt, dass wir beim Thema Sex unmittelbar mit uns selbst konfrontiert sind. Je freier wir uns darin fühlen, desto lustvoller und unverkrampfter ist unser Zugang dazu und umso leichter fällt uns das Sprechen darüber.

Haben Christen mehr Probleme mit dem Sex als Menschen ohne religiösen Hintergrund?
Die Probleme sind hüben wie drüben dieselben. Nur weil Sex omnipräsent ist, heisst das nicht, dass Menschen sinnvolle Informationen zu Sex bekommen.

Da wollen Sie mit Informationen weiterhelfen?
Gerade die hohe Verbindlichkeit und Treue vieler christlicher Langzeitbeziehungen hat Potenzial, eine grosse sexuelle Zufriedenheit zu garantieren, sofern man den Sex liebt, weiterentwickelt und ihn regelmässig stattfinden lässt. Ein- bis zweimal die Woche über Jahrzehnte gelebt – lustvoll erlebt – bringt jedem Paar, ob religiös oder nicht, ein grandioses Sexleben. Doch so etwas fällt einem nicht in den Schoss. Dafür muss man etwas tun.

Sollten die Kirchen mehr über Sex und Liebe sprechen?
Ja, denn darauf hoffen Kirchenmenschen. Doch dafür müssen sich die Kirchenverantwortlichen erst selbst im Thema schlau und kompetent machen. Noch immer wird in theologischen Ausbildungsstätten das Thema Sexualität stiefmütterlich oder überhaupt nicht behandelt. Darum haben Theologen keine Ahnung, wie sie Menschen darin begleiten ­sollen. Sexualität wird zudem ausschliesslich auf der ethisch-moralischen Ebene abgehandelt und es wird kein hilfreiches Wissen für das Sexualleben vermittelt. Wir brauchen eine neue Ethik, die sich nicht an Geboten und Verboten orientiert, sondern an der Übernahme von Selbstverantwortung des Einzelnen.

Ist es überhaupt noch sinnvoll, sich beim Thema Sex auf die Bibel zu beziehen?
Je nachdem wie ich die Bibel lese, begegnet mir dort Sexfeindlichkeit oder eine grosse Bejahung der Sexualität. Es kommt drauf an, in wessen Geist ich die Bibel lese. In der Bibel befinden sich die schönsten erotischsten Texte der Weltliteratur. Zudem beinhaltet die Bibel das überzeugendste Konzept von Liebe überhaupt. Doch die Frage ist, ob wir uns mit entsprechendem geisterfülltem Blick dafür die Herzensaugen öffnen lassen.

Stichwort Sexspielzeuge: Was ­früher als pervers galt, gilt heute vielen als Lifestyle-Produkt.
Grundsätzlich finde ich diese Entwicklung gut, weil sie einen Tabubruch bringt Richtung normalem und unverkrampften Umgang in der Sexualität. Generell ist überhaupt nichts gegen Sextoys einzuwenden, sofern in einer Beziehung beide das mögen. Sie bereichern zudem das Single-Sexleben. Gleichzeitig sollte man aber beachten, dass Sextoys meist nicht das Problem lösen, wenn Menschen den Sex nicht lustvoll erleben. Viele hoffen, mit Toys oder erotischer Bekleidung mehr Freude in ihr Sexleben zu bringen. Doch das funktioniert nur, wenn die Freude am Sex prinzipiell da ist.

Diese Freude empfinden nicht alle Menschen. Gerade in langen Beziehungen geht die Lust aneinander oft schleichend verloren.
Wer keine Lust erleben kann, braucht eine sexuelle Lernphase mit Selbstberührungen, damit sich entsprechende Wahrnehmungssynapsen im Hirn bilden können. Sprich, sinnliche Handarbeit und Beckenbewegungen führen sowohl bei Frau wie Mann am ehesten zum Ziel.

Und die Spielzeuge?
Toys können als Hilfsmittel dienen, die Körperwahrnehmung zu schulen oder dazu verhelfen, dass vor allem Frauen überhaupt einen Orgasmus erleben, um eine Ahnung davon zu bekommen, worauf sie in der Wahrnehmung hinsteuern sollen. Mit der Zeit entwickelt man mit dem Partner zusammen seine eigene erotische Körperstimme, mit der man mit sich selbst und dem Partner kommunizieren kann. Das will man dann nicht unbedingt mit einem Sexspielzeug ersetzen, aber vielleicht ergänzen.

26. April 2019 / Annette Meyer zu Bargholz

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