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«Die Gottesebenbildlichkeit verpflichtet»

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28.05.2019
Theologe und Tierethiker Christoph Ammann spricht über Pferde in der Manege, einen neuen, vegetarischen Lifestyle und über die besondere Verantwortung, die Gott uns Menschen für die Tiere gegeben hat.

Herr Ammann, in Basel hat das Stimmvolk vor ein paar Tagen ein Grossaquarium verhindert, das den Zoo zum Publikumsmagneten hätte machen sollen. Sind Sie froh darüber?
Ja, ich habe mich darüber gefreut, weil der Entscheid ein Zeichen ist, dass die Sensibilität für den Tierschutz zugenommen hat, auch im Umgang mit Fischen. Vor allem das Argument, dass es ein Aquarium braucht, um die Leute für den Artenschutz zu sensibilisieren, vermag nicht zu überzeugen, weil es hierfür andere Möglichkeiten, etwa Filmvorführungen oder Computeranimationen, gibt. Das «Ozeanum» wäre von Meerestieren wie Haien, Rochen und Kraken bewohnt worden. Problematisch ist der für die Tiere stressige Fang, dazu kommen die zu erwartenden Todesfälle durch den Transport. Natürlich soll sich ein Zoo weiterentwickeln. Das bedeutet aber in erster Linie mehr Fläche für weniger Tiere schaffen. Es braucht keine neuen Tierarten, sondern optimale Bedingungen für die dort lebenden Tiere.

Der Zirkus Nock stellt den Betrieb ein, unter anderem wegen verschärften Tierschutzauflagen. Eine SVP-Politikerin hat auf Twitter zu einem Boykott des Zirkus Knie aufgerufen, weil er Pferdeshows anbietet. SP und Grüne wollen Tiershows im Zirkus auf Stadtzürcher Boden verbieten. Zu Recht?
Die Haltung von Tieren in fahrenden Zirkussen ist sicher ein Problem. Die Tiere sind aufgrund häufig wechselnder Standorte viel und zum Teil lange unterwegs. Das ist – vom eigentlichen Auftritt einmal abgesehen ­– ethisch ein heikler Bereich. Im Vergleich zu Wildtieren scheinen mir Pferdenummern im Zirkus aber das deutlich kleinere Problem zu sein. Ohne ein Pferdeexperte zu sein, ist mein Eindruck, dass es die Pferde dort besser haben als viele andere Pferde in der Schweiz, die kaum Auslauf und Kontakt mit Artgenossen haben.

Wie sieht es denn mit Löwen und Elefanten aus? Letztere hat der Zirkus Knie erst vor zwei Jahren aus dem Programm genommen. Macht es aus ethischer Sicht denn einen Unterschied, ob ein Pferd oder ein Elefant in der Manege steht?
Wildtiere wie Elefanten und Löwen gehören nicht in den Zirkus. Eine artgerechte Haltung ist da nicht möglich. Daher ist es nur folgerichtig, dass der Knie die Elefantennummer gestrichen hat. Als nationale Institution nimmt er bei diesem hoch emotionalen Thema eine Vorbildrolle ein. Generell gilt: Die Tiere müssen ihre artspezifischen Bedürfnisse ausleben können. Das gilt in Zoos wie in Zirkussen.

Warum haben wir mit den Zoo- und Zirkustieren mehr Mitleid als mit anderen, denen es viel schlechter geht? Ich denke an die Massentierhaltung von Nutztieren.
Zirkustiere stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Die vielen unschönen Aspekte der industriellen Tierhaltung jedoch passieren tendenziell im Verborgenen. In Ställen, die man nicht sieht und die die Tiere quasi unsichtbar machen. Wo sind all die Schweine, von denen es in manchen Kantonen mehr gibt als Menschen? Auch das Schlachten passiert unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dieses «Verborgensein» steht im Kontrast zum «Ausgestelltsein» der Zootiere, die dadurch mehr in der öffentlichen Wahrnehmung stehen. Allerdings rückt die Nutztierhaltung derzeit auch stärker in den Fokus. Mir scheint, dass nicht zuletzt im Gefolge der von Greta Thunberg losgetretenen Klima-Debatte eine breitere Öffentlichkeit sich für die negativen Folgen des Fleischkonsums zu interessieren beginnt. Veganismus ist «in». Davon profitieren letztlich hoffentlich alle Tiere – auch die Nutztiere.

Sie sind Präsident der Aktion Kirche und Tiere Akut. Sie kritisieren immer wieder die «Tiervergessenheit» von Theologie und Kirche. Beobachten Sie als Pfarrer in der reformierten Kirche ein Umdenken?
Die Bewahrung der Schöpfung ist nur auf Augenhöhe mit den Tieren möglich und kann nicht abstrakt erfolgen – dieses Bewusstsein macht sich auch in den Kirchen breit. Nicht nur die Mitmenschlichkeit, auch die Mitgeschöpflichkeit muss mehr in den Vordergrund rücken. Ich glaube, tierethische Anliegen werden ernster genommen als auch schon. Viele Leute hinterfragen ihren Lebensstil. Reduzieren zum Beispiel den Fleischkonsum, um ihren ökologischen Fussabdruck zu verbessern. Nicht immer stehen moralische Gründe im Vordergrund. Jemand kann sich auch aus gesundheitlichen und nicht aus ethischen Gründen vegan ernähren. Mir ist diese Entwicklung recht. Der neue Lifestyle ist Teil einer positiven Entwicklung und kommt vor allem den Tieren zugute.

Wie beurteilen Sie die Nutztierhaltung aus christlich-ethischer Sicht? Die Bibel fordert den Menschen ja gewissermassen zur Herrschaft über die Schöpfung auf. In der Genesis steht, der Mensch soll sich die Erde untertan machen.
Aus der Perspektiven der christlichen Tierethik ist klar, dass aus der  Gottesebenbildlichkeit des Menschen eine spezifische Verantwortung resultiert. Gegenüber Mitmenschen, der gesamten Schöpfung und auch gegenüber Gott. Wir sind «ansprechbar» auf moralische Forderungen, und wir sind aufgerufen, diesem Ruf in die Verantwortung mit unserem Leben zu entsprechen. Uns kommt so eine ethische Sonderstellung zu, die eine Aufgabe und kein Privileg ist. Wir sollen nicht herrschen mit dem Recht des Stärkeren, sondern fürsorglich mit der Verantwortung umgehen. Und aus dieser fürsorglichen Haltung heraus auch das Wohl der Tiere suchen.

Sandra Hohendahl-Tesch, reformiert.info, 28. Mai 2019

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