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Der Geist, der schwebt, inspiriert, tröstet und ermuntert

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07.06.2019
Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Dieser Aspekt Gottes ist schwer zu fassen. Was soll man sich darunter vorstellen? Ein Erklärungsversuch – gemeinsam mit verschiedenen Pfarrpersonen.

«Wer hat meinen Kugelschreiber stibitzt? Niemand? Dann wars wohl der Heilige Geist.» Dieser und ähnliche Sprüche gehören am Arbeitsplatz oder im häuslichen Alltag zum Gemeingut. Einige wissen auch, dass die Taube in der kirchlichen Kunst das Symbol für den Heiligen Geist ist – dann aber hat es sich auch schon. Was man sich unter dem Heiligen Geist vorzustellen hat, weiss kaum jemand so richtig, es sei denn, sie oder er habe zufällig Theologie studiert.

Sogar dann ist es nicht ganz einfach – das werden einmal mehr die Predigten zeigen, die am kommenden Sonntag, an Pfingsten, zum Thema gehalten werden. Denn Pfingsten, auch das ist vielen Menschen hierzulande nicht mehr geläufig, ist das Fest des Heiligen Geistes. Weil an Pfingsten, nach Jesu Himmelfahrt, der Geist über die versammelten Jünger kam und sie das Evangelium in fremden Sprachen verkünden liess. So steht es in der biblischen Apostelgeschichte.

Tröster und Unterstützer
Der Geist Gottes als göttlicher Atem oder Lebenshauch kommt bereits im Alten Testament vor. Zum Beispiel gleich im zweiten Satz der Bibel, in der Schöpfungsgeschichte, wo er über den Wassern der Urflut schwebt. Explizit als «Heiliger Geist» wird er im Neuen Testament bezeichnet: Hier handelt es sich um den «Tröster» oder «Unterstützer», der nach der Auferstehung Jesu von Gott den Menschen gesandt wird. Er schenkt den Gläubigen unterschiedliche Gaben, zum Beispiel Weisheit, Erkenntnis, Glaubenskraft, Prophetie oder die Fähigkeit zu heilen. So wirkt Gott durch den Geist mitten in die Gemeinschaft hinein, durch inspirierte Menschen, die ihre Gaben im Dienst der Mitmenschen nutzen.

Nach einem kirchlichen Lehrsatz ist der Heilige Geist Teil des dreieinigen Gottes: Gott Vater, Gott Sohn und der Heilige Geist. Wobei es sich nicht um drei Wesenheiten oder gar um drei Götter handelt, sondern um den einen Gott, der sich in drei Aspekten ausdrückt. Gott Vater ist der Schöpfer, Gott Sohn ist Jesus Christus, der Mensch gewordene Gott. Beim Heiligen Geist hingegen wird es etwas kompliziert.

Vom Geist «durchtönt»
Laut dem Kirchenvater Augustin (354–430) stehen Vater und Sohn für eine ewige Beziehung; der Heilige Geist ist das Band der Liebe, das die beiden eint. Beim Reformator Huldrych Zwingli (1484–1531) zeigt sich der Heilige Geist besonders deutlich im Wort Gottes. Durch die Bibel und die Predigt wird der Mensch «durchtönt» vom göttlichen Geist; dessen Organ ist die verfasste und staatlich garantierte Kirche.

Übrigens gab es rund um den Heiligen Geist auch eine Diskussion, die man aus heutiger Sicht als müssiges Theologengezänk abtun würde, hätte sie nicht die historische und bis heute andauernde Spaltung in die West- und die (orthodoxen) Ostkirchen zur Folge gehabt. Es geht um einen kleinen, im Jahr 589 in ein älteres Glaubensbekenntnis eingefügten Passus. Dieser Zusatz – eigentlich nur eine lateinische Silbe – betont, dass der Heilige Geist von Gott Vater und von Gott Sohn gleichermassen ausgehe. Die Ostkirche lehnte diese Präzisierung ab.

Bei alledem kann einem der Heilige Geist schon recht fremd werden. Geht es bei diesem Thema auch etwas zeitgemässer und einfacher? Wir haben bei einigen Pfarrerinnen und Pfarrern nachgefragt. Im Folgenden schreiben sie, was sie sich unter dem Heiligen Geist vorstellen.

Der Heilige Geist verleiht uns Flügel. Es ist sozusagen himmlisches Red-Bull-Getränk für uns Menschen hier auf der Erde. (Ivana Fucik, Pfarrerin in Meiringen/Hasliberg BE)

Ich taufe jedes Kind auch auf den Heiligen Geist. Das ist für mich die Bitte um den Guten Geist, den es bei seinen Nächsten unbedingt erfahren möge. Damit es einmal ein Erwachsener werde, der nicht allem misstraut, sondern zu vertrauen wagt. Der Heilige Geist legt so die Grundlage dafür, dass man lieben lernt. Und auf den «Gott der Liebe» setzt. (Pius Bichsel, Pfarrer in Seeberg BE)

Der Heilige Geist ist für mich vergleichbar mit dem Wind. (1) Wir sehen den Wind selber nicht, sondern nur seine Wirkung in der Natur: Wir hören ihn im Rascheln des Laubes, wir spüren ihn im eigenen Haar, wir riechen ihn in der Duftwolke. (2) Wir spüren ihn als Rückenwind kaum, sondern merken erst beim Gegenwind, dass er bläst. (3) Er bläst, wo er will, nicht wo wir ihn haben wollen. Genauso ist es mit der Kraft Gottes, die weht und wirkt, wo sie will. (Christoph Sigrist, Pfarrer am Grossmünster Zürich)

Für mich ist der Heilige Geist einer, der im wahrsten Sinn des Wortes begeistert. Zum Beispiel, wenn aus Angst Vertrauen wird, aus Verzagtheit Kraft. So wie bei den Jüngern an Pfingsten geschehen. Noch heute kann er das Feuer oder die Motivation in uns sein, vom Evangelium zu erzählen und es mit Leben zu füllen. (Constanze Broelemann, Pfarrerin in Ausserdomleschg GR, Redaktorin «reformiert.»)

Heiliger Geist ist die Kraft, die das Warum zum Leben ergründet. Der Begriff Heiliger Geist steht für mich für die innere Kraft, das eigene Feuer für und den Willen zum Leben zu stärken. Pfingsten handelt darum von unterschiedlichen Sprachen. Denn jeder einzelne Mensch sucht seine eigene, individuelle Sprache, um für die Sehnsucht nach Leben Worte und Sätze zu finden. Sätze, die das «Warum zum Leben» begründen. (Ella de Groot, Pfarrerin in Muri-Gümligen BE)

Der Heilige Geist ist Gott, die in mir atmet. Sie ist weiblich, denn auf Hebräisch heisst sie rúach. Dieses uralte Wort bedeutet auch Atem. Das macht mir die Vorstellung für die heilige Geistkraft sehr einfach: Immer, wenn ich atme ist Gott bei mir, in mir, mir nahe, meine Lebensenergie. Der erste Mensch, der Erdgemachte, «Adam», wurde von Gott mit rúach angehaucht, in-formiert, zum Leben erweckt. Und diese Kraft durchtamet mich, atmet in mir, mein bewusstes Leben lang, und verlässt mich, wenn ich am Ende meiner Tage mein Leben aus-hauche. Das gleiche hebräische Wort für Seele wird für unser Wort «Kehle» benutzt, als der «Ort» in meinem Körper, wo die Atemluft in mich eintritt.

Beidesmal nutzt Israel das Wort: Näfäsch! Wenn ich atme, verbinde ich mich mit der Welt, indem ich Luft aufnehme und dann wieder entlasse. Wenn ich mich mit der rúach verbinde, bin ich am Ort meiner Seele. In beiden Situationen (Atmen/Mit Gott verbinden) bin ich mit mir selbst unmittelbar und gleichzeitig mit dem grossen Ganzen verbunden. Die rúach ist unwillkürliche, ungebändigte, unkontrollierbare Lebenskraft, die ich auch empfinde, wenn ich im «Flow» bin, beispielsweise beim Joggen, wenn es einfach aus mir läuft oder in der Predigt oder dem Lehrvortrag vor Menschen, wenn ich genau weiss, was ich sagen will, weil die Menschen vor mir sich mir ganz öffnen und die Bibel, das Wort Gottes sich mir einfach erschliesst.

Auch das sind Momente und Wirklichkeiten des Heiligen Geistes. (Frank Lorenz, Pfarrer und Geschäftsführer Offene Kirche Elisabethen Basel)

Hans Herrmann, rerformiert.info, 7. Juni 2019

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