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Wenn das Hilfswerk den Anwalt schickt

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23.09.2019
Christliche und kirchliche Hilfswerke bekämpfen die Armut in Afrika, Asien und Lateinamerika. Sie setzen sich für Gerechtigkeit und Freiheit ein. Mit Erfolg, wie eine Umfrage des Kirchenboten zeigt.

Pumpen für sauberes Wasser in Mosambik, die Sanierung eines Pflegezentrums in Kirgisistan oder Kredite für Kleinbauern zum Anbau von Pfeffer – dies sind nur drei Projekte von Tausenden, welche die Schweiz weltweit finanziert. Und die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit steigen stetig an. Anfang 1960 wendete die Schweiz dafür rund 15 Millionen Franken auf. 2017 waren es über 3 Milliarden. Zudem weist die Statistik der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA für das gleiche Jahr gut 540 Millionen Franken private Spenden von Hilfswerken aus. 

Lange schien es selbstverständlich, dass die reichen Länder die ärmsten finanziell unterstützen. Inzwischen wird die Kritik immer lauter. «Wer Afrika wirklich helfen will, darf das nicht mit Geld tun», meinte etwa der kenianische Ökonom James Shikwati. Geld, das von aussen kommt, störe den Gesellschaftsvertrag zwischen der Regierung und ihrer Bevölkerung, sagt der Ökonom und Nobelpreisträger Angus Deaton.

Die Zivilgesellschaft stärken

Wie die weltlichen arbeiten auch die kirchlichen Hilfswerke vor Ort meistens mit Partnern zusammen. Sie kennen die Problematik in den struktur- und wirtschaftsschwachen Ländern. Sie wissen, wie schnell Gelder versanden oder in den Taschen korrupter Politiker landen können. Das Heks sieht die Voraussetzungen für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit denn auch in der Rechtsstaatlichkeit und der guten Regierungsführung. Deshalb fordert Heks, die Zivilgesellschaft zu schützen und zu stärken. «Die Schweiz soll die Menschenrechte und die demokratischen Prozesse fördern, um den globalen Trend der schwindenden Bürgerrechte einzudämmen», sagt Dieter Wüthrich, Medienverantwortlicher von Heks. Auch «Brot für alle»-Sprecher Lorenz Kummer betont die Rolle einer starken Zivilgesellschaft, die «in der Lage ist, die Behörden zu überwachen, Rechenschaft einzufordern und für die Presse- und Meinungsfreiheit einzustehen». 

Damit Armutsbekämpfung funktioniert, müssten auch «extrem arme Bevölkerungsgruppen» teilhaben können, sagt Wüthrich. Wie das geht, zeigt ein Heks-Projekt in Indien, das die kastenlosen Dalits und die indigenen Adivasi unterstützt. «Diese werden von der Gesellschaft systematisch ausgeschlossen», so Wüthrich. «Das Heks hilft ihnen dabei, Landtitel einzufordern und ihre Ernährung zu sichern.» Dazu gründete man 2003 in drei indischen Bundesstaaten Landrechtsforen, welche die Landlosen und Kleinbauern beim Gang durch die Behörden begleiten, um ihre gesetzlichen Ansprüche durchzusetzen. «In den letzten zehn Jahren haben Dalit- und Adivasi-Familien so über 100 000 Hektaren Land erhalten», sagt Dieter Wüthrich.

Politisches Lobbying

Auch wenn die kirchlichen Hilfswerke alle einen christlichen Hintergrund haben, agieren sie verschieden. «Brot für alle» Bfa setzt auf Empowerment. «Wir stärken die Partner-Organisationen in den Ländern des Südens, damit sie dort gegen Missstände vorgehen können», erklärt Lorenz Kummer, «und wirken gleichzeitig auch auf die Rahmenbedingungen in der Schweiz ein.» So habe man in Kalimantan auf Borneo weitere Fälle von Landraub für Palmölplantagen verhindern können. «Mit politischem Lobbying und öffentlichem Druck in der Schweiz hat Bfa erreicht, dass im Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und Indonesien Bedingungen zur Nachhaltigkeit für Palmöl aufgenommen wurden», sagt Kummer. Coop und Aldi Schweiz hätten sich bereit erklärt, in ihren Eigenmarken weniger Palmöl zu verwenden.

Die Arbeit von Mission 21 richtet sich nach den christlichen Grundwerten. Ziel sei es, die Armut zu lindern und den Frieden zu fördern, sagt der Medienbeauftragte Christoph Rácz. «Unsere Partnerkirchen im Südsudan zum Beispiel, die verschiedene ethnische Gruppen vereinen und in der Bevölkerung verwurzelt sind, bringen Menschen aus bisher verfeindeten Volksgruppen zusammen.» 

Einsatz an der Front

Die Organisation Christian Solidarity CSI bezeichnet sich als «Frontorganisation». «Der Schwerpunkt von CSI ist der Einsatz für Glaubensverfolgte. Wir konzentrieren uns auf Brennpunkte wie den Nahen Osten, Nigeria oder Südsudan und gehen auch an Orte, wo andere aus Sicherheitsgründen nicht hingehen», erklärt Mediensprecher Adrian Hartmann. «Jedes Lebensmittelpaket, jede Winterjacke oder medizinische Behandlung verbessert die Welt des Empfängers.»

Zurzeit leistet CSI Hilfe in Nigeria. Menschen, die von islamistischen Milizen vertrieben wurden, erhalten ein Startkapital für die neue Existenz. Doch an vielen Orten sei Entwicklungsarbeit gar nicht möglich, so Hartmann. In Nigeria etwa könne man kaum wirksame Arbeit leisten, solange die Christen den Angriffen schutzlos ausgesetzt seien. «Die Politik muss zuallererst ein Umfeld schaffen, in dem die Zusammenarbeit gedeihen kann», sagt Hartmann. «Dazu braucht es Frieden und soziale Gerechtigkeit.»

Nulltoleranz bei Korruption

Die verbreitete Korruption ist eine der grossen Herausforderungen in der Entwicklungszusammenarbeit. Die Hilfswerke sind sich dieser Gefahr bewusst. «Bfa hat deshalb Prozesse definiert, um die Veruntreuung von Spendengeldern zu verhindern», sagt Lorenz Kummer.

Auch das Heks hat Massnahmen ergriffen. Dieter Wüthrich sagt dazu: «Hilfsorganisationen wie Heks arbeiten in einem Umfeld, das von einem extremen Machtgefälle geprägt ist. Alle unsere Mitarbeitenden müssen deshalb einen Verhaltenskodex unterschreiben. Zudem führen wir Workshops durch, um sie für Machtmissbräuche und ein ethisches Verhalten zu sensibilisieren. Wir fördern eine Kultur, die Missbräuche nicht tabuisiert, sondern thematisiert.» Er hat deshalb auch eine Whistleblower-Stelle eingerichtet und ein «Anti-Corruption-Officer» nimmt die Beschwerden entgegen. «Gegenüber Korruption und Machtmissbrauch gilt die Nulltoleranz», hält Wüthrich fest.

Bei Mission 21 gibt es seit fünf Jahren einen Verhaltenskodex gegen Korruption. «Alle Partnerorganisationen werden in Anti-Korruption und finanziellem Management geschult», erklärt Christoph Rácz.

Karin Müller, Kirchenbote, 23. September 2019 

 

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