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Der Donnerprediger und Weltliterat bleibt zugkräftig

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03.10.2019
Zweifler sagten einem Gotthelf-Zentrum vor sieben Jahren keine grosse Zukunft voraus. Sie haben sich wohl geirrt: Der Dichterpfarrer hat posthum viele Fans in der Deutschschweiz, entsprechend viele besuchen das Museum in Lützelflüh.

Von der Bahnstation Lützelflüh mitten im Emmental führt ein schmaler Fussweg zwischen behäbigen Häusern und gepflegten Gärten über die Emme zur Kirche, die schon von weitem ihren auffallend spitzen Turm in den Himmel stösst. Dicht an der Südseite des Kirchenschiffs befindet sich das Grab des Dichterpfarrers Jeremias Gotthelf, der mit bürgerlichem Namen Albert Bitzius hiess. Er wirkte von 1831 bis 1854 in Lützelflüh, als Pfarrer und gut bezahlter Schriftsteller. Sein Werk zählt heute zur Weltliteratur. Die Verfilmungen aus den 1950er-Jahren haben Kultstatus, und Drehbuchzitate wie «Änneli, gib mer es Müntschi» oder «Buebli, du bisch am Lätze» sind populäres Gemeingut.

Nicht weit von der Kirche, in der Gotthelf seine donnernden Predigten hielt, steht das alte Pfarrhaus, das im Gedenken an seinen bedeutendsten Bewohner zum Gotthelf-Zentrum umfunktioniert wurde. Seit 2012 ist das Literaturzentrum in Betrieb, heuer läuft bereits die siebte Saison. Wie hat sich die Institution entwickelt, die im Dorf zuerst umstritten war und der viele voraussagten, ihr werde der Schnauf bald einmal ausgehen?

Die Kaffeekanne des Dichters
Heinrich Schütz und Werner Eichenberger gehören zum vierköpfigen Leitungsteam. Sie sind mit dem Lauf der Dinge und der Zugkraft ihres Protagonisten Gotthelf sehr zufrieden. «Wir verzeichnen jährlich zwischen 4000 und 5000 Besucherinnen und Besucher; dieses Ergebnis kann mit Museen in ähnlicher Grösse absolut mithalten und ist für ein Literaturzentrum ansehnlich», sagt Schütz.

Das Museum mit seinen fünf pfarrhauszimmergrossen Ausstellungsräumen ist klein, aber gediegen und gewährt auf gut fassbare Art Einblicke in das Leben und Schaffen eines Intellektuellen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eindrücklich ist der erste Raum, in dem sich rote Buchattrappen türmen. Sie veranschaulichen, welch stattliches Werk Gotthelf in bloss 18 Jahren erschaffen hat. Und stimmungsvoll bringt einem der dritte Raum das Familienleben der Familie näher, mit dem schönen Geschirr und der imposanten Kaffeekanne des prominenten Hausherrn.

Hansdampf in allen Gassen
Die Besucherschaft kommt vorab aus der Deutschschweiz angereist, um dem Dichterpfarrer die Reverenz zu erweisen. Ein Blick auf die Besucherstatistik zeigt, dass nebst dem Kanton Bern auch die Kantone Solothurn, Aargau, Zürich und Luzern gut vertreten sind. «Unser Kerngeschäft sind Führungen», sagt Werner Eichenberger. Deren 1300 sind seit Eröffnung des Zentrums durchgeführt worden, für Gruppen unterschiedlichster Art von der Geburtstagsgesellschaft über Bildungsreisende bis hin zum Verwandtentreffen und der Gymnasialklasse. «Aus dem reichen und vielfältigen Leben Gotthelfs lässt sich zu fast allen Besuchergruppen ein Bezug herstellen», erklärt Eichenberger. «Gotthelf war Theologe, Literat, Schulinspektor, Kritiker des Verdingwesens und der Quacksalberei, Feldprediger, Jäger und anderes mehr.»

Sogar Feuerwehrleute kommen bei Gotthelf auf ihre Kosten. Im Juni 1834 logierte der Geistliche für eine Nacht bei seinem Amtskollegen in Huttwil. Just in jener Nacht brach im Städtchen ein verheerender Brand aus. Bitzius packte bei den Löscharbeiten beherzt mit an.

Hoffen auf mehr Geld
Die Initianten des Gotthelf-Zentrums leiten die Institution im Milizsystem. Drei von ihnen sind pensioniert und auch schon über 70. Deshalb machen sie sich Gedanken über die Zukunft des Zentrums. Ihnen schwebt vor, zu vielleicht 60 Prozent eine Leitungsperson anzustellen. Dazu braucht es aber mehr Subventionen; bisher flossen von der Standortgemeinde Lützelflüh 20'000 Franken jährlich ins Budget von rund 170'000 Franken, das sich hauptsächlich durch Eintritte, Führungen, Spenden, Gönnerbeiträge und Mieteinnahmen finanziert. Ein Beitragsgesuch bei der Regionalkonferenz ist am Laufen; je nachdem könnte sich der Zustupf aus öffentlichen Geldern verdoppeln. «Das Zentrum hätte es verdient, ist es doch unterdessen zu einem echten Leuchtturm in der Berner Kulturlandschaft geworden», sagt Werner Eichenberger.

Hans Herrmann, reformiert.info, 3. Oktober 2019

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