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«Das Neue und das Alte haben Kraft»

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21.10.2019
Ralph Kunz, Professor für praktische Theologie in Zürich, wünscht sich eine neue Art von Gottesdiensten. Solche, die geistreich und musikalisch ansprechend sind, und plädiert für eine Beteiligung der Kirchgänger.

Wann haben Sie das letzte Mal einen Gottesdienst besucht?

Vergangenen Sonntag in meiner Kirchgemeinde in Winterthur-Veltheim. Wann immer es geht, versuche ich diesen Gottesdienst zu besuchen. 

Was zieht Sie dorthin?

Dieser Gottesdienst ist grossartig. Ich werde begrüsst und grüsse andere, ich höre gute Predigten, geniesse schöne Musik und es gibt ein gemeinsames Engagement.

Welche Schulnote verteilen Sie den reformierten Gottesdiensten insgesamt? 

Ich vergebe keine Noten. Und wenn ich es müsste, wäre es ja eine Art Durchschnittsnote, die für den konkret erlebten Gottesdienst nicht viel aussagt. Es gibt wunderbare Gottesdienste, die Herz und Leib erfrischen, und solche, die eher frustrieren als regenerieren. 

Anders gefragt, was ist Ihr persönlicher Eindruck?

Ich fürchte, es steht nicht sehr gut um die heimischen Gottesdienste. In vielen Gemeinden kommen die Kirchgänger nicht auf ihre Rechnung, weder spirituell, emotional noch intellektuell.

Was sollte sich ändern? 

Wir brauchen heute Gottesdienste, die eine einfache Sprache sprechen und doch geistreich sind. Die musikalisch ansprechen, aber nicht billig sind. Gottesdienste, die den Leib berühren, aber nicht übergriffig sind. 

Haben Sie Beispiele?

Innovativ kann sein, mit den Zisterziensern zu schweigen, bei den -Benediktinern in Einsiedeln die Tagzeitenliturgie zu feiern, einen Got-tesdienst mit Jazzern zu erleben oder in einem gewöhn-lichen Sonntaggottesdienst eine geistreiche, aufrüttelnde Predigt zu hören. Innovation ist die Einzigartigkeit einer liturgischen Gestalt, in der Präsenz der Verantwortlichen, die den Gottesdienst leiten, aber genauso in der Partizipation derjenigen, die mitfeiern.

Beteiligung als Erfolgsrezept? 

Wenn Menschen im Gottesdienst quasi eine Voyeur Haltung einnehmen, ist das Theater. Wenn Sie mit-feiern und sich engagieren, im tiefsten Sinne des Wortes, wird es ein Gottesdienst. Das war das Ziel der protestantischen Gottesdienstreformen vor 500 Jahren. Zwingli wollte, dass sich die Gemeinde als Volk Gottes erfahren kann, dass sie im Gottesdienst Gottes Wort hört und darauf antwortet. 

Sind Tier-, Kinder- oder Bikergottesdienste der richtige Weg dafür?

Alle diese Möglichkeiten finde ich grossartig. Sofern sie Gott Ehre machen, die Menschen heiligen und die Verantwortlichen nicht in ein Burnout jagen. Gottesdienst ist keine Show, keine Anbiederei, sondern geschieht aus Freude und Lust auf Begegnungen mit dem Heiligen Geist. 

Das würde bedeuten, das -Konservative, Althergebrachte -aufzugeben, nicht? 

Nein. Das Neue und das Alte haben Kraft. Wenn jemand meint, er könnte «Modern Art» damit profilieren, indem er die Rennaissance-Kunst verteufelt, hat er nicht verstanden, was Kultur ist. In der Kirche leisten wir uns den Blödsinn zu sagen, dass das Alte keinen Wert hat. Wir müssen das «Unser Vater» nicht ersetzen durch etwas, das cooler ist. Es sollte einfach nicht mechanisch repetiert werden, sondern neu akzentuiert und aufgeführt werden. 

Sollten Pfarrer heute mehr in Marketing-Kategorien denken?

Ich habe nichts dagegen, wenn Pfarrer die Alten oder die Jungen fragen: Wo ist eure Not? Was ist eure Sehnsucht? Kirche ist aber ein Dienst und kein Dienstleister, der Verkaufsschlager anbietet. Ich möchte darum unterscheiden. Wir sollen marktfähig werden. Aber nicht marktförmig. 

Carmen Schirm-Gasser, Kirchenbote, 21.10.2019

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