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Kirchgemeinden: Klein und widersprüchlich

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25.11.2019
Der Basler Kirchenratspräsident Lukas Kundert und Bischof Felix Gmür sprachen über die Zukunft der Kirchgemeinden.

Ärmer, älter, kleiner – diese Zukunft prophezeiten Soziologen den Landeskirchen schon vor zehn Jahren. Die Kirchen verlieren Mitglieder und das Geld wird knapp. Welche Auswirkungen hat dies auf die Kirchgemeinden und Pfarreien? Dieser Frage ging die von der Gruppe «Ökumenische Religions-Gespräche Leimental» organisierte Veranstaltung «Kirchliche Gemeinden – wozu noch und wohin?» in Binningen nach. Als prominente Referenten traten Bischof Felix Gmür und der Basler Kirchenratspräsident und Münsterpfarrer Lukas Kundert auf.

Vorwärts pilgern
Das Wort «noch» im Titel der Veranstaltung sei typisch Kirche, meinte Bischof Gmür. «Wir orientieren uns an der Vergangenheit. Mit diesem Nochismus müssen wir wohl leben.» Blicke man aber nur zurück, finde man keine Antwort. Es brauche ein Umdenken. Eine Institution sei nur dann den Namen Kirche wert, wenn sie den Menschen dient, so Gmür. «Und die Menschen brauchen für diese Gemeinschaft eine Institution.» Wichtig sei, dass eine Gemeinde mit den Leuten unterwegs ist. «Das heisst vorwärts und nicht rückwärts pilgern, also nicht noch, sondern neben oder anders.»

«Es gibt kein Patentrezept»
Eine Gemeinde solle Räume öffnen und anbieten, auch geistige, damit die Menschen miteinander unterwegs sein und einander und Gott begegnen können, erklärte der Bischof. Da sei der Blick nach vorne und die Frage «Wohin sind wir unterwegs?» hilfreich. Es sei ein langsamer, anstrengender Prozess. Ein Patentrezept gebe es nicht, denn jede Gemeinde sei anders. Man könne heute nicht mehr voraussetzen, dass die Leute in die Kirchen kommen. Die Angebots- und Konsumkirche ist gemäss Gmür nicht mehr aktuell. Trotzdem brauche es Orte, wo man sich versammeln kann, «schöne grosse Zentren wie Einsiedeln und Mariastein oder die Clara-kirche und das Münster in Basel».

«Wir haben unser Herz, das brennt für den Glauben, und zugleich eine grosse Not, dass wir das nicht vermitteln können. Wir sehen, dass uns dafür bestimmte Instrumente fehlen», sagte Kirchenratspräsident Lukas Kundert. Die Basler Kirche spreche vor allem das bürgerliche Milieu an. Es gebe jedoch neun weitere Milieus, welche die Kirche nicht erreiche. Man müsse sich auf deren Ästhetik einlassen: «Dafür müssen wir den Musikstil anpassen, den Predigtstil, die Räumlichkeiten und auch inhaltlich aus-differenzieren, was unsere Botschaft, die Befreiung durch Jesus Christus, politisch bedeutet.»

Diese verschiedenen Milieus führten zu den unterschiedlichsten Kirchgemeinden, die «zum Teil hoch widersprüchlich sind», erklärte Kundert. Die heutige Monokultur werde einer pluralistischen Kultur weichen, von denen die einen etwa für die «Ehe für alle» sind, während die anderen sie ablehnen.

«Enorme Zerreissproben»
Eine Kirche, die in so unterschiedliche Richtungen driftet, könne man nicht leiten, so Kundert. «Im Zentrum stehen die zwei verbliebenen Sakramente, die Taufe und das Abendmahl. Wir müssen uns immer wieder am Tisch des Herrn versöhnen lassen. Dies ist ein enorm anspruchsvoller geistlicher Weg.» Seit zehn Jahren befinde die reformierte Kirche sich auf diesem Weg, der «uns enorme Zerreissproben beschert, gerade dann, wenn es ums Geldverteilen geht».

«Wir bewegen uns in ein post-konfessionelles Zeitalter. Wir sind eine Gesellschaft, die sich so ausdifferenziert hat, dass die Kirchen verschiedene Foren für verschiedene Geschmäcker anbieten müssen», meinte Kundert. Heute gebe es in Basel-Stadt zwei parallele Bewegungen: Kirchgemeinden im alten Sinn, «die es wichtig finden, zwischen 2000 und 3000 Mitglieder zu haben, damit 200 bis 300 die angebotenen Dienste konsumieren können». Und Kirchgemeinden, die bewusst ein neues Modell der Kleingemeinde lebten. Diese Kirchgemeinden seien wie Zellen unterwegs. «Die Basler Kirche», provozierte Kundert, «wird nicht mehr 15 Kirchgemeinden haben, sondern 30 oder 40. Sie treffen sich in Privathäusern und Hinterhöfen und nur noch zum Teil in grossen Kirchen.»

Karin Müller, November 2019

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