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«Die meisten sind erstaunt über mich, weil ich eine lustige Mischung bin»

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06.02.2020
Alina Ring, 21, gehört zur Sportkletter-Elite der Welt. Verletzungen konnten sie nicht bremsen. Offen erzählt Ring von ihrem Glauben. Er gibt ihr einen anderen Fokus, sodass sie weniger verbissen ist.

Frau Ring, Sie waren auf dem Zenit Ihres Erfolgs, als Ihr Traum von Olympia in Tokio 2020 aufgrund einer Verletzung platzte. Wie schlimm war das für Sie?
Ich hatte mich mental noch nicht so sehr auf Olympia eingestellt. Viel schlimmer war, dass ich gerade die Matura geschafft und mich gefreut hatte, jetzt ohne schulischen Druck im Sport durchstarten zu können. Leider wurde nichts draus.

Sie haben drei Operationen hinter sich, wussten lange nicht, ob Sie je wieder klettern können. Haben Sie in dieser Zeit gehadert?
Die Verletzungsphase war eine Herausforderung für mich und meinen Glauben, da ich nicht verstanden habe, warum es gerade mich trifft. Doch ich habe am Glauben festgehalten und an der Zusage von Gott, dass er immer bei mir bleibt. Ich habe ein christliches Mentaltraining besucht. Auch die Bibel hat mir geholfen, mit all den Geschichten, die ich gelesen habe, bei denen Menschen Geduld benötigten. Denn diese Geduld brauchte ich auch.

Zum Beispiel?
Meine Ärztin sagte mir, ich müsse auf die zweite Operation bis Mai warten, anstatt bis Februar. Also betete ich fest darum, dass die Operation früher klappt. Was dann eintrat. Das war ein Zeichen für mich, dass Gott für mich da ist und mich begleitet.

Sehen Sie Ihre Verletzung im Nachhinein aus einem anderen Blickwinkel?
Mir ist bewusst geworden, welche Chancen ich durch die Verletzung erhalten habe. Ich konnte in aller Ruhe mein Theologie-Studium beginnen, konnte viele wertvolle Beziehungen knüpfen. Das alles wäre ohne Verletzung vermutlich nicht der Fall gewesen. Das ist eine Chance, die mir Gott geschenkt hat.

Wie geht es Ihnen heute?
Seit Anfang Jahr trainiere ich wie früher, 20 Stunden, vier bis fünf Mal in der Woche sowie zweimal Krafttraining.

Sie stehen offen zu Ihrem Glauben. Wie reagieren die Menschen darauf?
Da ich Theologie studiere, ergibt es sich noch häufig, dass ich darauf angesprochen werde. Diejenigen, die mich als Kletterin kennen, sind häufig erstaunt, wenn sie von meinem Glauben hören. Die anderen, die mich aus dem Theologie-Studium kennen, sind wiederum positiv überrascht, dass ich Leistungssport mache.

Gibt es auch negative Reaktionen?
Die Menschen reagieren immer positiv, wenn sie von meinem Glauben hören. Ich habe noch nie etwas Negatives erlebt. Selbst Menschen, die nichts mit dem Glauben zu tun haben, reagieren positiv. Die meisten sind erstaunt über mich, weil ich eine lustige Mischung bin, die man so nicht kennt. Sie haben ihre fixen Bilder von typischen Sportlern und typischen Theologie-Studenten. Ich tanze da völlig aus der Reihe.

Wie hat sich Ihr Glaube entwickelt?
Ich bin christlich aufgewachsen. Meine Eltern waren gläubig. Mein Vater ist zwar katholisch, besuchte aber mit meiner Mutter und mir regelmässig die reformierte Kirche. Als sich meine Eltern trennten, damals war ich in der 8. Klasse, und ich mit meiner Mutter nach Zürich zog, kamen wir in eine lebendige und aktive Kirchgemeinde. Durch die vielen Aktivitäten, die in Hirzenbach angeboten werden, bin ich nach und nach in die Kirchgemeinde hineingewachsen. Von da an besuchte ich regelmässig den Sonntagsgottesdienst und habe gespürt, dass es mir gefallen könnte, Theologie zu studieren. Ab der 12. Klasse dann war für mich klar, dass ich Theologie studieren werde.

Hilft Ihnen Ihr Glaube beim Klettern?
Er hilft mir sehr. Ich bete nicht, um zu gewinnen oder um besser zu sein als meine Konkurrenten. Der Glaube gibt mir einen anderen Fokus. Ich bin nicht mehr so verbissen wie früher. Ich habe zwar meine Ziele, die ich sportlich erreichen will. Aber ich weiss, Gott sieht mich als ganze Person, er reduziert mich nicht auf Alina, die Kletterin. Mein Leben steht und fällt nicht mit dem Resultat eines Wettkampfs. Klettern ist meine Leidenschaft, der Glaube gibt mir die Gelassenheit.

Sie stehen offen zu Ihrem Glauben. Weshalb andere Sportler nicht?
Ich war früher auch zurückhaltender. Ich habe meinen Glauben zwar nicht abgestritten, aber ich hatte Angst, dass mein Wissen nicht ausreichen könnte, wenn andere beispielsweise mit naturwissenschaftlichen Argumenten kamen. Durch mein Theologie-Studium weiss ich heute viel mehr. Ich kann nur jeden dazu ermutigen, zu seinem Glauben zu stehen. Die meisten Menschen finden es spannend, wenn man darüber erzählt.

Was ist Ihr berufliches Ziel?
Ein Sonderpfarramt, beispielsweise Gefängnisseelsorge. Zudem interessieren mich innovative Gottesdienstformen. Da heute nicht mehr so viele Menschen in die Kirche gehen, muss die Kirche zu den Menschen kommen. Ich könnte mir vorstellen, Gottesdienste im kleinen Rahmen zu feiern, rund um einen Tisch, verbunden mit Essen, wo sich jeder einbringen und eine Gemeinschaft erleben kann, eine Ersatzfamilie hat.

Was ist Ihr nächstes grosses Ziel?
Diese Saison möchte ich wieder an Wettkämpfen teilnehmen. Im nächsten Jahr ist die Weltmeisterschaft mein Ziel. Mein Fernziel ist die Teilnahme an Olympia in Paris 2024.

Sie halten demnächst einen Vortrag in Pfäffikon. Was können die Zuhörer daraus mitnehmen?
Ich denke, jeder Mensch, der Prüfungen oder Herausforderungen in seinem Leben meistern muss, kann etwas für sich herausnehmen.

Carmen Schirm-Gasser, kirchenbote-online, 6. Februar 2020

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