Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

Bildung als kirchliche Kernaufgabe

min
24.03.2020
Bildung ist mehr als das Sammeln von Wissen. «Sich bilden» bezeichnet einen individuellen und gemeinschaftlichen Entwicklungsprozess. «Wer bin ich?» Und: «Wer könnte ich werden?». Fragen, die auf Identitätsbildung zielen. Diese stellen sich auch heute dem Einzelnen, aber auch den Kirchen.

«Wer bin ich?», fragte Dietrich Bonhoeffer im Moment tiefer Selbstzweifel. «Wer sind wir?», fragen Menschen, die Kirche bilden, im Jahr 2020. Und die, die ferngerückt sind oder nie zu ihr in Beziehung standen, fragen: «Wer ist Kirche?» Die Identität eines Christen und die Identität der Kirche beschreiben und verstehen zu können, bedarf des Kennenlernens und des Verstehens von Inhalten christlichen Glaubens – Voraussetzungen dafür, sich zu ihm in Beziehung setzen zu können.

Reformatorischer Bildungsgedanke
«Bildung für alle» forderte schon der Reformator Philipp Melanchthon (1497-1560): Jeder Mensch sollte Lesen lernen und eine elementare Bildung erhalten, um sich selbst mit biblischen Inhalten vertraut machen und ein mündiger Christ werden zu können. Gesellschaftlich bedeutete die Reformation: eine «Bildungs-, Freiheits- und Emanzipationsbewegung », die nicht nur von Comenius und Pestalozzi evangelisch weitergeschrieben wurde.

Lebenslanges Lernen
Neben Familien und Schulen waren es für lange Zeit vor allem die Kirchgemeinden, in denen christliche Bildungsarbeit stattfand. Mit der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung wurden Orte der Begegnung und der Auseinandersetzung über «gesamtgesellschaftlichen Themen» immer wichtiger – Orte auch, an denen Erwachsene Bildungsmöglichkeiten fanden und Kirche ihr Profil hinterfragen und ihren Ort «in der Welt» klarer bestimmen konnte: die Akademien und Bildungszentren. Auszuformulieren, was konstituierend ist für eine christliche Identität, gehört ebenso zu diesem Lern- und Bildungsprozess wie das Verstehen und die Auseinandersetzung mit Menschen anderer Ansicht und Weltanschauung.

Glauben verantwortet leben
Wenn das ganze Leben «ein (vernünftiger) Gottesdienst» (Röm 12,1) sein soll, und wenn dieser «im Alltag der Welt» seinen Ort hat, dann braucht es Chancen zur lebenslangen Bildung. Ihr Ziel ist es, dass ein Christ – oder einer, der auf der Suche nach seiner Identität ist – sich Gottes und seiner selbst in den Herausforderungen der jeweiligen Gegenwart reflektieren kann. Letztes gilt auch für das gemeinschaftliche Leben als Kirche. Bildung ist darum eine kirchliche Kernaufgabe. Sie ist Voraussetzung für die Identitätsbildung des Einzelnen, aber auch der Kirchen, und für die Gestaltung des individuellen und gemeinschaftlichen Lebens vor und mit Gott. Hierzu gehört nicht zuletzt auch das persönliche und gemeinsame Bekenntnis, das im Handeln des Einzelnen und der Gemeinschaft Gestalt findet.


(Karin Kaspers-Elekes, 31. März 2020)

Unsere Empfehlungen

Glücklich ist, wer freiwillig arbeitet

Glücklich ist, wer freiwillig arbeitet

Das Priestertum aller Gläubigen bekommt neuen Schwung: Mehrere Kantonalkirchen haben sich zusammengetan, um die Freiwilligenarbeit gemeinsam zu stärken. Dafür haben sie einen neuen Leitfaden herausgegeben.
«Es geht nur gemeinsam»

«Es geht nur gemeinsam»

Mit Christina Aus der Au wird ab Juni 2022 erstmals eine Frau die Evangelische Landeskirche Thurgau präsidieren. In der Synode setzte sie sich überraschend deutlich gegen Konkurrent Paul Wellauer durch. Was wird sich ändern?