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Gekaufte Ikone Jane Roe beichtet auf dem Sterbebett

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04.06.2020
Schwangerschaftsabbrüche dominieren seit langem die politische Debatte in den USA. Nun wurde enthüllt: Jane Roe, alias Norma McCorvey, liess sich von Abtreibungsgegnern kaufen.

Eine erregte und elektrisierte Menge demonstriert Ende Januar 2020 vor der National Mall in Washington. Die Versammelten strecken Schilder in die Höhe mit der Aufschrift: «Hört auf, Babys zu töten», oder: «Stoppt den Baby-Holocaust.» Der alljährliche «March for Life» steht an und auf dem Programm mit Trump ein aussergewöhnlicher Redner: Zum ersten Mal spricht ein US-Präsident zu Amerikas Abtreibungsgegnern, die immer im Januar an den Schicksalstag am 22. Januar 1973 erinnern. Damals machte der Oberste Gerichtshof mit dem Grundsatzurteil «Roe v. Wade» den Weg frei für eine weitgehende Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den USA.

«Roe v. Wade» steht für die Klägerin Jane Roe, die in Wahrheit Norma McCorvey heisst, und den texanischen Bezirksstaatsanwalt Henry Wade. Roe gewann und das Urteil machte den Weg frei für eines der liberalsten Abtreibungsrechte in der Welt. Bis und mit dem fünften Monat ist seither ein Schwangerschaftsabbruch in den USA möglich.

Bereits vor der Urteilsverkündung soufflierte der erzkonservative Präsidenten-Berater Patrick Buchanan dem damaligen Amtsinhaber Richard Nixon folgendes: Seine Chancen auf Wiederwahl würden sich unter der katholischen Wählerschaft verbessern, wenn er sich gegen Abtreibung ausspreche. So wandelte sich Nixon, der bis dahin liberal über Abtreibung dachte, wie damals die Mehrheit in der republikanischen Partei, zum Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen und beschwor die Heiligkeit des menschlichen Lebens - einschliesslich des Lebens des noch Ungeborenen.

«Kreuzritter» Ronald Reagan
Seither gehört das Abtreibungsthema zu den polarisierenden Kampflinien der US-Politik wie Schusswaffenbesitz oder die Frage der Rassendiskriminierung. 1979 schlossen sich beispielsweise Evangelikale unter Jerry Falwell zur «Moral Majority» (Moralische Mehrheit) zusammen. «Wir führen einen heiligen Krieg und dieses Mal werden wir ihn gewinnen», proklamierte der Baptistenpastor. Auch «Campus Crusade for Christ» von Pat Robertson mobilisierte gegen Abtreibung, Homosexuellenrechte und Gleichberechtigung.

Ausgerechnet Ronald Reagan, der als kalifornischer Gouverneur selbst ein liberales Abtreibungsgesetz unterzeichnete, wurde zum obersten Kreuzritter gegen den frommen Amtsinhaber Jimmy Carter installiert. Der Clou dabei: Noch 1974 hatten die «Southern Baptists» eine Resolution verabschiedet, die ausdrücklich Abtreibung bei schwerer Behinderung des Ungeborenen, bei Vergewaltigung oder Inzest erlaubte. Seither hat sich die republikanische Partei, die «Grand Old Party (GOP), zur «God’s own Party» gewandelt. Es vergeht kein Präsidentschaftswahlkampf, keine Besetzung des Obersten Gerichtshofs, in der nicht das Urteil «Roe v. Wade» eine Rolle spielt.

Die gekaufte Symbolfigur
Just zum bevorstehenden Wahlkampf 2020 sind brisante Enthüllungen bekannt geworden. Jane Roe alias Norma McCorvey war zuvor die Ikone der Feministinnen und trat für ein liberales Abtreibungsgesetz ein. 1985 die Kehrtwende: TV-reif inszenierte sie 1995 eine Taufe als wiedergeborene Christin in einem Swimmingpool. Sie trat lange Zeit immer wieder als entschiedene Abtreibungsgegnerin bei Demonstrationen der Prolife-Bewegung auf. Doch 2017 machte sie noch auf dem Totenbett gegenüber dem Dokumentarfilmer Nicholas Sweeney das Geständnis, für Geld von Abtreibungsgegnern als mediale Symbolfigur angeheuert worden zu sein. Über die Jahre sind schätzungsweise 450'000 Dollar geflossen. Ins Mikrofon von Sweeny sagte sie auch: «Ich war der grosse Fisch. Ich nahm ihr Geld, und sie stellten mich vor die Kameras und sagten mir, was ich sagen sollte.» Mit Abtreibung habe sie absolut kein Problem.

52 Millionen für Trump
«Roe v. Wade» wird als spalterisches Reizthema den USA erhalten bleiben. Das illustrierte bereits die umstrittene und umkämpfte Wahl des erzkonservativen Brett Kavanaugh in den Obersten Gerichtshof. Das wird auch der Wahlkampf zeigen, dessen Schatten bereits mit Trumps Auftritt beim «March for Life» im Januar vorauseilten. Übrigens bringt das Engagement des dreifach geschiedenen Lebemanns ihm nicht nur Wählerstimmen, sondern spült ihm auch ein erkleckliches Sümmchen in die Wahlkampf-Kasse. So hat die «Susan B. Anthony List», eine einflussreiche Anti-Abtreibungs-Organisation, angekündigt, 52 Millionen Dollar für Trumps Wiederwahl zu spenden - eine Rekordsumme.

Delf Bucher, reformiert.info

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