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Waldenser und Hugenotten: Spurensuche nach Plan

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24.06.2020
Im 17. Jahrhundert kamen Tausende Glaubensflüchtlinge aus Frankreich und dem Piemont durch Schaffhausen. Nun führt ein Stadtrundgang auf ihre Spuren – und zu einem Lösungswort.

Die Baronin Madame Marguerite D’Arbaud übernachtet am 6. Oktober 1686 im Hotel Krone in Schaffhausen. An ihren in Nîmes zurückgebliebenen Ehemann schreibt sie über ihre Flucht aus Frankreich: «Ich hörte damals nur auf die Stimme der Himmel. Nimm dein Kreuz und folge mir.» Am 31. Oktober 1686 erreicht sie Frankfurt. Dann verliert sich ihre Spur.

Unter dem französischen König Ludwig XIV. und seinem Neffen Viktor Amadeus II., Herzog von Savoyen, gab es schwere religiöse Verfolgungen in Frankreich und im Piemont. Ihr Leitsatz «Ein König, ein Reich, eine Religion » duldete keinen reformierten Glauben. Während zwanzig Jahren flüchteten die Hugenotten und Waldenser aus Südfrankreich und Norditalien über die Schweiz bis nach Nordhessen, Holland und England. In Schaffhausen wurden sie verpflegt und verarztet und schliesslich, mit Reisegeld ausgestattet, weitergeschickt. Im Spitzenjahr 1687 zogen 9000 Flüchtlinge durch die Munotstadt. Das ist fast das Doppelte der damaligen Einwohnerzahl.

Zahlreiche Übernachtungen
Nun führt ein neuer Rundgang mit zehn Stationen an die Aufenthaltsorte der Hugenotten und Waldenser in der Schaffhauser Altstadt. «Wir wollten anhand von konkreten Beispielen zeigen, wer hier durchgekommen ist. Glücklicherweise lässt sich manchmal bis auf das Hotel oder das Privathaus genau nachvollziehen, wer wo übernachtet hat», sagt Doris Brodbeck, Medienbeauftragte der Schaffhauser Kirche und Initiantin des Stadtrundgangs. So waren Adlige, Kunsthandwerker, Handelsleute, Geistliche, Bauersleute, Krieger und Kinder unter den Flüchtlingen. Sie verbreiteten den Stoffdruck, die Uhrmacherei, die Gold- und Silberschmiedekunst sowie die Herstellung von höfischem Luxus wie Seidenhandschuhen, Hüten und Strümpfen in Europa.

Der Stadtrundgang beginnt beim Schaffhauser Münster und endet im Museum zu Allerheiligen. An den Stationen erfährt man anhand von Einzelschicksalen, wie es den Flüchtlingen erging und wo sie gelebt haben. Viele trafen durch die beschwerliche Reise krank und pflegebedürftig in Schaffhausen ein. Apotheker, Barbiere und Chirurgen waren damit beschäftigt, Fieber zu senken, abgefrorene Zehen zu amputieren und Schädelverletzungen nach Überfällen zu behandeln. Und auch die Totengräber hatten viel Arbeit zu jener Zeit.

Lösungswort zum Schluss
Gross war die Solidarität der reformierten Eidgenossen mit den verfolgten Glaubensgeschwistern. Die evangelischen Städte Genf, Bern, Zürich, Basel, Schaffhausen und St. Gallen führten eine gemeinsame Kasse zur Finanzierung der Weiterreise der Flüchtlinge, während die Unterbringung aus den ehemaligen Klosterkassen finanziert wurde. Der Schaffhauser Stadtschreiber verwaltete die gemeinsamen Gelder. Mehrmals im Jahr rief man auf, für die Flüchtlinge zu spenden. Im Schaffhauser Staatsarchiv sind zahlreiche Listen erhalten, die Dorf für Dorf sämtliche Spenderinnen und Spender aufführen, von Arm bis Reich. «Der Stadtrundgang greift auf ungewohnte Art aktuelle Themen auf und veranschaulicht, wie viel diesen Menschen ihr Glauben bedeutete», sagt Doris Brodbeck.

Man kann den Rundgang mithilfe eines Stadtplans auf eigene Faust unternehmen. Der Plan existiert in Papierform oder virtuell mit GPS-Funktion. Zudem gibt es öffentliche Stadtführungen mit dem Schaffhauser Historiker Laurent Auberson in deutscher und französischer Sprache.

An jeder Station gilt es, ein Rätsel zu lösen. Mit dem Lösungswort gibt es am Ende der Spurensuche in lokalen Geschäften Rabatte auf ein Andenken zum Mitnehmen. Das Kernstück des Rundgangs ist das Stuckmedaillon aus dem Jahr 1687 im «Grossen Haus». Es zeigt einen Flüchtling in gepflegter Kleidung, der durch zwei Schlangennester schreitet, und ziert zum Beispiel als Sujet ein Brillenreinigungstuch oder Anisgebäck zum Geniessen.

Adriana di Cesare-Schneider

Infos und Stadtplan zum Herunterladen; Infos zu Führungen und Stadtplan auf Papier

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