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«Rechthaberei und Schuldzuweisungen bringen gar nichts»

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31.12.2020
Die Schweiz hat überdurchschnittlich viele Corona-Tote. Gesprochen wird darüber kaum. An Silvester brennen nun überall in der Schweiz Kerzen für sie. Pfarrer Christian Walti unterstützt die Aktion «#LichtInDerTrauer» - Gedenken an die Covid-Toten.

Etwas mehr als 7000 Menschen sind inzwischen in der Schweiz an oder mit Covid-19 gestorben sind. Im Verhältnis zur Bevölkerung sind das mehr Tote als sämtliche unserer Nachbarländer zu beklagen haben. Pro Tag sterben über 80 Menschen. Damit liege unser Land «auf dem traurigen siebten Platz», meinte Martin Ackermann, Präsident der Nationalen Task Force bei der letzten Medienkonferenz.

Corona-Tote werden hingenommen
Diese Tatsache scheint hierzulande aber kaum jemanden wirklich aufzuregen oder in Sorge zu versetzen. Auch dass Sterbende ihre letzten Stunden einsam in Isolation verbringen, gehört offenbar immer noch in die Kategorie «traurige Einzelschicksale».

Dass die Schicksale in Altersheimen und in Pflegeinstitutionen tatsächlich sehr traurig sind, weiss der Pfarrer an der Berner Friedenskirche und im Haus der Religionen Christian Walti. «Auch von der bald hundertjährigen Mutter und Grossmutter möchten die Angehörigen angemessen Abschied nehmen. Es ist für alle sehr schlimm, in solch existentiellen Momenten durch Schutzmassnahmen eingeschränkt zu sein.»

In den umliegenden Ländern wundert man sich über den hartnäckig verteidigten «Schweizer Weg». Es sei nicht nachvollziehbar, kann man in deutschen oder französischen Medien lesen, dass im Corona-Hotspot Schweiz die Skigebiete offen sind. Und dass das Weihnachtsgeschäft stärker gewichtet werde als die Massnahmen, mit denen man die epidemiologisch schwierige Lage zu bewältigen versuche.

Die Anspannung steigt
Auch in der Schweiz gehen die Meinungen weit auseinander. Was den einen zu wenig, ist den andern zu viel. Der öffentliche Diskurs ist zunehmend angespannt. Genau deswegen findet Christian Walti, sei jetzt nicht Zeit für Fingerzeige. «Für alle ist die Situation neu, niemand ist Pandemie-Fachperson, deshalb bringen Rechthaberei und Schuldzuweisungen im Moment gar nichts.» Auch er befürworte durchaus nicht immer alle vorgegebenen Massnahmen, und suche für sich und die Kirchgemeinde nach passenden Umsetzungen. «Aber gegenseitige Schuldzuweisungen gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mehr denn je braucht es Gelassenheit, Solidarität und Mitgefühl.»

Alle sind «Pandemie-müde»
Natürlich seien die Menschen müde vom ewigen Hin und Her: Die Ungewissheit, die ständig neuen Informationen und die Mischung aus Selbstverantwortung und Anpassung seien emotional extrem anstrengend, so Walti. «Als Seelsorgerinnen und Seelsorger haben wir ein offenes Ohr für alle mit ihrem ganz persönlichen Leiden – unabhängig davon, ob sie vom Virus oder von den Schliessungen betroffen sind.»​

In der Friedenskirche und in der Kirche im Haus der Religionen gehen er und seine Kolleginnen und Kollegen behutsam vor. Nicht fünfzig, wie es im Kanton Bern möglich wäre, sondern nur fünfzehn Gottesdienstbesucher empfangen sie, allerdings zu mehreren Kurzfeiern. «Das ist unsere Antwort auf den manchmal etwas laschen Umgang einiger Menschen mit dem Virus.»

Covid-Tote sind mehr als Statistik
Ausserdem könne es nicht sein, betont Walti, dass Kulturschaffende kolossal leiden, während Kirchen die Lockerungen wie einen Sieg feierten. «Kirchlicher Triumphalismus ist sicher nicht angesagt. Vielmehr braucht es in dieser Zeit gute Ideen, Aufmerksamkeit, Geduld und Humor.» Deshalb beteiligt sich die Kirche im Haus der Religionen an der Aktion #LichtInDerTrauer. «Wenn wir für jede einzelne verstorbene Person eine Kerze anzünden, wird uns vielleicht bewusster, dass die tägliche Zahl in den Nachrichten für viele einzigartige Menschenleben steht.» ​

Katharina Kilchenmann, reformiert.info

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