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Eine nationale Gedenkstätte für die Opfer

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30.03.2021
Politiker, Kirchen und die Auslandschweizer-Organisation fordern einen nationalen Erinnerungsort. Das Geschehene dürfe nicht in Vergessenheit geraten, sagen sie.

Fast 1000 Schweizerinnen und Schweizer fielen den Verbrechen des Nationalsozialismus zum Opfer, sie wurden in Konzentrationslagern inhaftiert. Über 450 haben nicht überlebt. «Diese Tatsache ist weitgehend unbekannt», sagt Remo Gysin, Alt-Nationalrat (SP) und Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO). 
Seit einigen Jahren setzt sich die Organisation deshalb für die Schaffung einer nationalen Gedenkstätte in der Schweiz ein. «Das Denkmal soll nicht nur erinnern», sagt Gysin. «Es soll durch die Vermittlung von Geschichte auch eine Auseinandersetzung mit dem Geschehenen ermöglichen.»  

2019 gestartet
2019 fand eine Tagung mit dem Archiv für Zeitgeschichte der ETH zum Thema statt, an der auch der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG), die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft und das Zentrum für jüdische Studien der Universität Basel teilnahmen. 
«Wir waren uns schnell einig, dass es einen nationalen Ort der Erinnerung braucht, sagt Valérie Arato Salzer, Leiterin Kultur beim SIG. Und dieser solle allen Opfern des Nationalsozialismus (NS) gedenken. Eine Steuerungsgruppe mit Vertretern dieser Organisationen arbeitet seitdem an einem Konzept. Bis zum Sommer soll es dem Bundesrat übergeben und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. 
Der in den Medien verwendete Begriff «Holocaust-Denkmal» sei jedoch nicht korrekt, sagt Arato Salzer. «Er weckt falsche Vorstellungen.» Denn es ginge nicht nur um die jüdischen Opfer, sondern etwa auch um Kommunisten, Menschen mit Behinderungen oder Frauen, die mit der Heirat ins Ausland ihre Schweizer Staatsbürgerschaft verloren. 

Motionen eingereicht
Vor zwei Wochen hat das Anliegen zusätzlichen Aufschwung erhalten. Nationalrat Alfred Heer (SVP) und Ständerat Daniel Jositsch (SP) haben am 15. März je eine gleich lautende Motion in der grossen und kleinen Kammer eingereicht. Über 100 Nationalrätinnen und Nationalräte haben sie unterschrieben, inklusive aller Fraktionspräsidenten. Die Motionäre fordern den Bundesrat dazu auf, einen Schweizer Gedenkort für die NS-Opfer und falls erforderlich, die dafür notwendigen Grundlagen zu schaffen. 
Heer, der auch Mitglied im Europarat ist, begründet sein Engagement wie folgt: «Vor allem in Osteuropa ist der Antisemitismus stark vertreten.» Es dauere lange, um eine Demokratie aufzubauen und sehr schnell, um sie auszulöschen. 
Ihm gehe es darum, dass das, was in Deutschland geschehen sei, nicht vergessen ginge. «Und dass man sich damit auseinandersetzen muss.» Dabei solle man sich an das Gute wie auch an das Schlechte erinnern. Etwa auch an die Tatsache, dass die Schweizer Behörden im Zweiten Weltkrieg zahlreichen Menschen die Rettung verweigerten. «Wir wollen nicht Anprangern», sagt Heer. «Aber die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist wichtig.» 
Jositsch ergänzt: Die Generationen, die den Krieg erlebt hätten, würden langsam verschwinden. «Die Lehren, die wir aus dem Geschehenen gezogen haben, dürfen nicht vergessen gehen.» Es sei auch wichtig, dass die Geschichte nicht nur mit einem Lehrbuch vermittelt werde. «Die junge Generation soll sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen können.» 
Wie die Gedenkstätte aussehen soll, ist offen. Die Steuerungsgruppe hat sich zwar schon Gedanken zum Bildungsteil gemacht, will aber noch nichts verraten. Nur, dass sie in Bern stehen soll. Der Bund soll sie finanzieren und tragen, Kantone und Gemeinde könnten sich beteiligen. 

Breite Unterstützung
Zahlreiche Institutionen und Organisationen unterstützen das Anliegen. So auch die Landeskirchen. «Die Kombination von Gedenken, Information und Bildung sowie die Erweiterung des Gedenkens auf alle Verfolgten, Entrechteten und Ermordeten ist ein Novum», sagt Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz. «Wir unterstützen das.»
Zwar gibt es in der Schweiz bereits rund 50 kleinere Erinnerungsorte wie beispielsweise die Gedenkstätte in Riehen oder das Mahnmal auf dem Friedhof Endingen-Lengnau. Sie wurden aber alle auf privater Basis errichtet. 
Im vergangenen November hat zum Beispiel der Verein Stolpersteine Schweiz, der sich für das Gedenken an NS-Opfer engagiert, in Zürich Stolpersteine gesetzt. Das sind quadratische Messingtafeln, auf denen die Namen und Geburtsdaten von Opfern stehen. Sie sind ins Pflaster oder den Gehweg bei ihren Wohnorten eingelassen. 

Nadja Ehrbar / Reformiert.info

 

 

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