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Das Ende einer altehrwürdigen Institution

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26.04.2021
Das reformierte Kammergut gilt als älteste Witwen- und Waisenkasse der Schweiz. Sie schützte die Hinterbliebenen der Baselbieter Pfarrerinnen und Pfarrer vor sozialer Not. Letztes Jahr wurde die 456 Jahre alte Korporation aufgelöst, weil das Geld fehlt.

Seit Ende 2020 existiert das «Kammergut der reformierten Landpfarrer des ehemaligen Gesamtkantons» nicht mehr. Dies beschloss, von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, die 456. Jahresversammlung der Korporation im vergangenen Jahr. Dass sich hinter dem sperrigen, verstaubt klingenden Namen die älteste Witwen- und Waisenkasse der Schweiz verbirgt, wissen die wenigsten.

Die über 450-jährige, sozial- und kulturhistorisch bedeutsame Geschichte des Kammerguts ist eng mit der Entwicklung der reformierten Kirche Baselland verbunden. Die Korporation hat die Wirren der Kantonstrennung überstanden und sich mit der regelmässigen Revision ihrer Statuten den wandelnden Zeiten angepasst. Doch jetzt ist Schluss, es fehlt das Geld.

«Ich bedaure, dass eine altehrwürdige Institution wie das Kammergut, das Leid und Not von betroffenen Familien in schweren Zeiten lindern helfen konnte, nicht mehr breit getragen wird», sagt Christoph Albrecht. Der Läufelfinger Pfarrer ist seit über 20 Jahren Mitglied und seit 2006 Präsident des Kammerguts.

Die finanzielle Entwicklung habe dazu geführt, dass man sich schweren Herzens entschieden habe, die Korporation aufzulösen, erklärt Albrecht. Die Mittel, die neben den Mitgliederbeiträgen vor allem durch Wertpapieranlagen erwirtschaftet wurden, seien aufgrund der schwierigen Lage an den Finanzmärkten kontinuierlich geschmolzen. Zuletzt erreichte sie die in der Kammerordnung definierte, «unantastbare» Untergrenze von 300 000 Franken. Die Verwaltungskommission des Kammerguts habe «alle Energie, Zeit und Gedanken darauf verwendet», die finanzielle Notlage abzuwenden, versichert der Präsident. Man habe jedoch einsehen müssen, dass keine der geprüften Massnahmen eine nachhaltige Trendwende bewirkt hätte.

Ein Kind der Reformation
Das Kammergut sei ein Ort der Gemeinschaft und der freundschaftlichen Verbundenheit gewesen, erklärt Albrecht. «Seit 1564 bildete es ein ununterbrochen gelebtes Stück Basler und Baselbieter Kirchen- und Zeitgeschichte.» Nach der Reformation genehmigten die Pfarrherren der Landschaft im Jahr 1564 die Statuten des Kammerguts. Die jährlichen Versammlungen dienten dazu, dass die Pfarrer «alle angelegenen Sachen, die in ihren christlichen Kirchengebräuchen geübt werden, auch die Besserung des ihnen anbefohlenen Volkes desto ernstlicher bedenken».

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts konzentrierte sich die Tätigkeit des Kammerguts vermehrt auf die Unterstützung der Witwen und Kinder der verstorbenen Pfarrer. Die Hinterbliebenen erhielten ein Jahr lang das Einkommen des Pfarrdienstes. Ab 1910 wurde das Kammergut zur «Witwen-, Waisen- und Pensionskasse der reformierten Pfarrer Basellands und des Landbezirks Basel».

Im 20. Jahrhundert übernahmen staatliche Institutionen diese sozialen Leistungen. So wurde die Invaliditäts- und Altersversicherungskasse der reformierten Pfarrer 1924 in die Basellandschaftliche Beamtenversicherungskasse überführt, was die Frage nach dem Sinn und der Existenzberechtigung des Kammerguts akzentuierte. Bis zuletzt zahlte das Kammergut aber Zulagen an Pensionierte und Verwitwete. Besonders gerne erinnert sich Christoph Albrecht denn auch an die «sehr berührenden» Dankesschreiben von Witwen, die sich für das Weihnachtsgeld bedankten. «Sie erzählen davon, dass die Zuwendungen des Kammerguts oft die einzige Form materieller Anerkennung von Pfarrfrauen war für ihre jahrelangen, treuen und ehrenamtlichen Dienste.»

Beliebte Kammergutsausflüge
Regelmässig pflegten die Pfarrerinnen und Pfarrer überdies die Gemeinschaft auf den Kammergutsausflügen. Wie beliebt diese bei den Mitgliedern waren, kann man den Jahresberichten entnehmen. Noch 2015 heisst es da hoffnungsvoll: «Heute steht neben der finanziellen vor allem die menschliche Zuwendung unter den Pfarrgenerationen und ihren Angehörigen im Vordergrund.» Doch die Einstellung in der Gesellschaft zu Institutionen und Traditionen hatte sich verändert. Das Interesse am Kammergut sei in den letzten Jahren geschwunden, eine Entwicklung, mit der heute viele Vereine und Gesellschaften zu kämpfen hätten, stellt Christoph Albrecht fest

Nun ist das Kammergut Geschichte. Was neben der historischen Bedeutung bleibt, sei «die Freude darüber, Menschen in Leid und Trauer geholfen zu haben», sagt Christoph Albrecht.

Karin Müller

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