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Der Schlüssel des Dekans

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27.04.2021
Wechsel im Dekanat des Schaffhauser Pfarrkonvents. Der Schlüssel des Dekans hat heute als Werkzeug ausgedient. Doch als Symbol behält er seinen Wert auch bei der Amtsübergabe.

Der silberne Bartschlüssel sieht unscheinbar aus. «Ministerialbibliothek – Schlüssel des Dekans», steht auf seinem Anhänger. In die Hände fiel er Joachim Finger, als er zum Prodekan des Schaffhauser Pfarrkonvents gewählt wurde. «Der Schlüssel lag zwischen Archivakten, die ich von meinem Vorgänger übernommen hatte », erzählt Finger.

Dem Pfarrkonvent gehören alle reformierten Pfarrerinnen und Pfarrer im Kanton Schaffhausen an. Das Gremium trifft sich regelmässig und behandelt theologische, religiöse, kirchliche und soziale Fragen. Der Dekan organisiert und leitet die Zusammenkünfte des Konvents und bietet Berufskolleginnen und -kollegen, die in der Gemeinde auf Schwierigkeiten stossen, ein offenes Ohr. Er schlichtet auch, wenn es zwischen Pfarrern und Kirchenstand oder Gemeindemitgliedern Konflikte gibt.

In den letzten Jahren hat sich das pfarramtliche Arbeitsumfeld stark verändert. Die vielen Teilzeitstellen wirken sich auch auf die Aufgaben des Dekans aus: «Die Kapitelarbeit gehört zum normalen Arbeitspensum. Wenn jemand nur 25 Prozent arbeitet, muss er seine Zeit schon sehr zusammenhalten, um alle Aufgaben bewältigen zu können. Der Prodekan vertritt den Dekan bei dessen Abwesenheit und erfüllt weitere Aufgaben im Dienst des Pfarrkonvents, während sich der Quästor um die Finanzen kümmert. Zwei Beisitzer vervollständigen den Vorstand, der sich «5er-Kommmission» nennt.

Pensionierung nach 23 Jahren
Joachim Finger wirkte 15 Jahre als Prodekan. Ab 2013 übernahm er das Co-Dekanat zusammen mit Ariana van der Haegen, bis er schliesslich im Jahr 2019 zum Dekan gewählt wurde. Ende April übergab er dieses Amt nun aufgrund seiner Pensionierung nach 23 Jahren als Mitglied der «5er-Kommission» seinem Nachfolger Peter Vogelsanger.

Die Amtsübergabe beinhaltete einen feierlichen Moment, als auch der Schlüssel den Besitzer wechselte. Was aber hat es nun mit diesem mysteriösen Schlüssel auf sich? «Der Schlüssel ist weniger mysteriös als ministerial», klärt Joachim Finger auf. Sein Anhänger weist ihn als Schlüssel zur Ministerialbibliothek aus, der Bibliothek des «Ministeriums». Das ist kein Geheimbund, sondern ein Verein, dem alle reformierten Pfarrerinnen und Pfarrer angehören, die im Kanton Schaffhausen aktiv sind, ordiniert oder pensioniert wurden.

Ein bisschen geheimnisvoll wirkt das Ganze trotzdem. Die Mitglieder des «Ministeriums» dürfen nämlich hinter Türen, die der Öffentlichkeit verborgen bleiben, uralte Schriften einsehen. Dazu gehören zum Beispiel Handschriften über Kräuterkunde aus der Klosterbibliothek Allerheiligen, Erstdrucke oder Schriften aus der Johann-Konrad-Ulmer-Sammlung. Sie lagern im Kulturgüterschutzraum der Stadtbibliothek und gehören zum Bestand der Ministerialbibliothek. Genauso wie die «Dogmatik» von Karl Barth oder die «Weimarer Lutherausgabe», die sich als neuere Werke in den öffentlichen Bibliotheksräumen befinden.

Freier Bibliothekszutritt verpflichtet
Von ihrem ursprünglichen Aufbewahrungsort in der Kirche St. Johann wanderte ein Teil der Bibliothek aus Platzmangel in die Schränke des Schaffhauser Staatsarchivs, bevor die Schriften in der Stadtbibliothek ihren endgültigen Platz fanden. «Der Schlüssel gehörte wohl zu einem dieser Kästen», mutmasst Joachim Finger. Der Pfarrkonvent führt eine «Bibliothekskommission», die sich um die Belange der Ministerialbibliothek kümmert. Der Dekan und der Prodekan gehören dieser Kommission an. Die Mitglieder des «Ministeriums» haben freien Zugang zu den Bibliotheksbeständen. Dieses Privileg ist aber auch verpflichtend: «Als Miteigentümer sind wir verantwortlich für den Erhalt dieser Schriften und müssen die Mittel für Restaurierungen zur Verfügung stellen», sagt Joachim Finger. Oft sei es notwendig, dafür Mittel von Dritten aufzutreiben. «Handschriftlichen Kontobüchern konnte ich entnehmen, dass der Ministerialfonds früher über viel Geld verfügte. Das ist heute leider nicht mehr der Fall.»

In alten Zeiten sei die Bibliothek deutlich öfters genutzt worden. «Früher mussten die Pfarrer noch in die Bibliothek, um für die Predigt in den alten Schriften zu lesen. Heute ersetzt das Internet diese Art der Recherche weitgehend.» Die Ministerialbibliothek gilt deshalb heute auch mehr als «Kulturgut von nationaler Bedeutung». Der «Schlüssel des Dekans» dient heute nicht mehr als Werkzeug zum Öffnen von Schränken mit wertvollen Schriften. Trotzdem will ihn auch der neue Dekan Peter Vogelsanger sorgfältig aufbewahren: «Seine Symbolkraft erinnert an unsere Vorgänger, in deren Fussstapfen wir uns heute bewegen.»

Adriana Di Cesare

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