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«Wir sind schon mit Selbstverständlichkeiten glücklich»

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31.05.2021
Frauen denken mit dem Herz, Männer mit dem Kopf – so äusserte sich verkürzt gesagt der neue Churer Bischof in einem Interview. Auch wenn er es anders gemeint haben soll, bieten die Aussagen von Bonnemain Diskussionsstoff.

In der vergangenen Woche sorgte eine Aussage des neuen Churer Bischofs für Wirbel: «Wir brauchen in der Führung der Kirche auch die Frauen, die vielleicht weniger rational denken und mit der Stimme des Herzens denken», hatte Bonnemain am Pfingstsamstag in einem Interview für die Zeitungen der CH-Mediengruppe gesagt.

«Gar so rückständig habe ich es nun doch nicht erwartet», twitterte die oberste Reformierte der Schweiz, Rita Famos. Und die Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds, Simone Curau-Aepli, meinte im kath.ch-Interview: «Diese Aussage von Bischof Joseph war ziemlich krass.»

Missverständlich ausgedrückt
«Frauen sind selbstverständlich ebenso rational denkend wie Männer und auch Männer sind emotional», korrigierte sich Bonnemain inzwischen auf Anfrage von kath.ch. Er habe im Gegenteil dazu aufrufen wollen, dass Frauen vermehrt Aufgaben in den Kirchenleitungen übernehmen sollen. «Wir stecken diesbezüglich noch in den Kinderschuhen.»

Auf das Bischofs-Statement an Pfingsten befragt, sagt Franziska Driessen-Reding ironisch: «Ich dachte schon – prima, künftig kann ich also wie so viele Priester in den Pfarreien auch mehr mit dem Herzen arbeiten und mich weniger mit komplexen rationalen Aufgaben befassen». Kritisieren will die Synodalratspräsidentin der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich die Äusserungen des Bischofs nicht. «Ich nehme ihn sehr wertschätzend wahr und werde ihn persönlich fragen, was genau er sagen wollte.»

Dass Bonnemain im Interview auch dem Priestertum für Frauen die erwartbare Absage erteilte, hat sie nicht sonderlich bewegt. Kein Bischof könne sich über das Verbot der Frauenordination hinwegsetzen. Was sich Driessen aber wünscht: «Ihre persönliche Meinung dazu können die Bischöfe durchaus äussern und zum Beispiel sagen, dass die Frauenordination noch nicht erlaubt, aber dringend nötig ist.»

Stattdessen herrscht für die Synodalratspräsidentin das Narrativ vor: Das Frauenpriestertum ist im dualen Schweizer System oder überhaupt in westlichen Ländern vielleicht ein Thema, doch in der Weltkirche sieht es ganz anders aus. Der Austausch mit Frauen des internationalen Catholic Women's Council zeigt Driessen aber, dass das nicht stimmt: «Überall auf der Welt werden katholische Frauen unter jeweils anderen Vorzeichen immer gleich vertröstet.»

Patriarchale Frauenbilder
Auch Monika Schmid, Leiterin der Effretiker Pfarrei St. Martin, vermisst von Bonnemain eine klare Aussage zur Frauenordination. «Vielen würde es schon guttun, zu hören, dass ihm bewusst ist, wie Menschen unter der heutigen Situation in der katholischen Kirche leiden». Die Bemerkung mit den emotionalen Frauen hat sie nicht erstaunt. «Solange in der katholischen Kirche patriarchale Frauenbilder wie zum Beispiel jenes von Maria als fürsorgliche Mutter vorherrscht, ist nichts anderes zu erwarten.»

Im Grunde genommen erlebten die Gläubigen nach neuen Hoffnungen immer nur Enttäuschungen und hätten sich daran inzwischen sogar gewöhnt, sagt die Pfarreileiterin. «Wir sind in der katholischen Kirche schon mit Selbstverständlichkeiten glücklich». Selbstverständlich habe ein Papst oder Bischof freundlich, offen und wertschätzend zu sein. So nimmt Schmid auch Joseph Bonnemain wahr. Was für sie nichts daran ändert, dass er wie Franziskus kirchenpolitisch klar konservativ sei.

Daran erinnert auch Simone Curau-Aepli, die Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes. Mit Bischof Bonnemain ergehe es ihr wie mit anderen Bischöfen oder mit Papst Franziskus: «Es gibt immer wieder mutige Aussagen, die die Glut unter der Asche erahnen oder gar aufscheinen lassen.» Aber die Männer blieben dann doch im System gefangen und seien nicht bereit, weiterzudenken und das Gesagte wirklich zu konkretisieren. «Sie haben Angst davor».

Für Curau steht fest: Jesus hat keine Unterschiede gemacht: Er hat Männer und Frauen zu Apostelinnen und Aposteln berufen und gesandt. Bischof Joseph habe das im Interview erwähnt, aber nicht konsequent weitergedacht, «weil es eben nicht sein darf». «Dieses dogmatische Denken führt dazu, dass sich viele Menschen ausgegrenzt fühlen und der katholischen Kirche den Rücken zukehren.»

Im Gespräch bleiben
Rita Famos, die Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz anerkennt, dass Joseph Bonnemain seine Äusserungen präzisiert hat und beim Nachbessern betonte, wie wichtig Frauen auch in den Kirchenleitungen seien. Sie sagt auch selbstkritisch: Obwohl die Gleichstellung von Mann und Frau in der reformierten Kirche weit fortgeschritten sei, lebten unter ihrem grossen Dach ähnliche Klischees weiter. Wichtig ist ihr: «Es geht nicht darum, Menschen mit traditionalistischen Rollenverständnissen an den Pranger zu stellen, sondern mit ihnen im konstruktiven Gespräch zu bleiben und gemeinsam die Kirche weiterzuentwickeln».

So habe sie ich auch die Kritik an Bonnemain verstanden, sagt Famos. Über die Begründung, dass nur Männern das Priestertum offenstehe, weil Jesus nur Jünger berufen habe, möchte sie weiterhin gerne mit dem Churer Bischof diskutieren.

Christa Amstutz, reformiert.info

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