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Wort UND Bild

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05.07.2021

In unserer reformierten Tradition hat das WORT eine grosse Bedeutung. In der Bibel lesen und hören wir WORTE über und von Gott, im Gottesdienst denken wir darüber nach. Selbst in der schlichten Innenarchitektur unserer Kirchen wird das deutlich: wenige bis keine Bilder, dezente Farben, kaum Verzierungen oder Schmuck. Nichts soll im Gottesdienst vom WORT ablenken.

Staunend stehen wir manchmal in reich bemalten, verzierten und bunten Kirchen, seien sie katholisch, lutherisch oder orthodox.

Die Konzentration auf das WORT hat durchaus seinen Sinn. Wenn ich WORTE und Geschichten höre, dann setzt das meine Phantasie in Gang, es entstehen BILDER in meinem Kopf. Ich mache mir meinen eigenen Reim. Es ist ein Unterschied, ob ich ein Buch lese oder den Film zum Buch schaue. Die BILDER des Films können meine eigene Phantasie einschränken.

 Aber nicht in allen Kulturen ist die Konzentration auf das WORT so stark wie in der Schweiz und Nordeuropa.

Der Pfarrer Christian Weber ist dem in seinem Buch „Wie andere Kulturen die Bibel sehen“ nachgegangen. Dazu hat er BILDER zur Bibel aus aller Welt gesammelt. Bei einem Vortrag erzählte er, dass er Aborigines in Australien gebeten hat, einen Kommentar zu einem afrikanischen BILD zu geben. „Können wir machen,“ war die Antwort, „aber du wirst keinen Text von uns bekommen. Wir werden zeichnen, singen oder tanzen. Wir können dir ein Video schicken, aber keine geschriebenen WORTE.“

Ich denke, dass diese anderen Traditionen, mit der Bibel umzugehen, auch für uns eine gute Ergänzung sein können. Denn auch bei uns spielen BILDER zunehmend eine wichtige Rolle.

Oben sehen Sie ein BILD aus Kamerun, das die Heilung des Gelähmten aus Markus 2, 1-12 zeigt.

Christian Weber hat dieses afrikanische BILD Menschen aus Lateinamerika und Asien gezeigt und um Rückmeldungen gebeten. Ein Pfarrer aus Indonesien sagte: „Das BILD macht deutlich, dass Jesus einer von uns war. Er sieht genauso aus, wie all die anderen Menschen um ihn herum. Für Kameruner sieht Jesus eben aus wie ein Kameruner.“

 Für mich ist das eine spannende Aussage. Hätte ich nur die WORTE der Geschichte gehört, dann hätte ich mir Gedanken über die Heilung und die anschliessende Diskussion gemacht. Aber durch das BILD entsteht eine weitere Wahrnehmung: Jesus (im roten Gewand) ist einer von uns, ganz gleich, ob wir in Asien, Europa oder Afrika leben!

Vielleicht sollten auch wir europäischen Reformierten häufiger die WORTE mit BILDERN ergänzen. Um Gott nahe zu kommen: in Wort UND Bild.

 

von Pfrn. Christina Brüll