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Mission 21 stellt sich dem heiklen Erbe der Sklaverei

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09.09.2021
Seit dem Beben der Black-Lives-Matters-Bewegung taucht immer wieder die Frage auf: Wie gingen Herrnhuter und Basler Missionare mit der Sklavenfrage um. Eine differenzierte Antwort lieferte Mission 21 mit einem Webinar.

Der Junge Carmel Oly hatte Glück. Verschleppt von westafrikanischen Sklavenhändlern in die Karibik, begegnete er Herrnhuter Missionaren. Sie erbarmten sich des Jungen, kauften ihn frei. So gelang Carmel nach Europa und wurde 1735 programmatisch auf den Namen Josua (Gott hilft) getauft. Wenn auch schriftliche Quellen nichts über ihn zu berichten wissen, hat den schon bald in Europa verstorbenen Jungen der Maler Johann Valentin Haidt porträtiert. Auf dem «Erstlingsbild» sitzt er vor dem Thron zu Füssen Jesu. Im Himmel hat seine gerettete Seele ewiglich Einkehr gefunden.

Sklaverei – göttlich vorherbestimmt
Die Seelen der Heiden zu retten, das war das grosse Ziel der Herrnhuter und Carmel Oly gelangte so von der Karibikinsel St. Thomas, damals im dänischen Besitz, nach Europa. Andere Versklavte auf St. Thomas schufteten auf der Zuckerplantage – auch für die Herrnhuter Missionare. Sie siedeten Zucker und Rum, wurden so manches Mal mit der Peitsche gezüchtigt. Theologisch rechtfertigte dies der Herrnhuter August Gottlieb Spangenberg 1782 mit der göttlich gesetzten Ordnung: «Wir wollen die Sclaven erinnern, dass es nicht von ohngefehr von Gott kommt, dass ein Mensch, ein Herr, und der andre, ein Sclav ist.» Zwei Momentaufnahmen, die zwei Gesichter der Missionsgeschichte zeigen.

Für einen differenzierten, wenn auch kritischen Blick plädiert deshalb der Historiker Jan Hüsgen in einem Webinar von Mission 21: «Es ist nicht möglich von der Sklaverei zu sprechen.» Der aktuellen Debatte um koloniale Schuld, europäisches Überlegenheitsdenken und Rassismus will sich das Missionswerk offensiv stellen. Sowohl die Basler Mission wie die Herrnhuter, die sich zusammen mit weiteren Werken 2001 zu Mission 21 zusammengeschlossen haben, sollen unter die Lupe genommen werden. Claudia Buess, verantwortlich für Bildungsveranstaltungen von Mission 21, begründet dies so: «Die Aufarbeitung unserer Geschichte ist schon deshalb notwendig, um der westlichen Überheblichkeit auf die Spur zu kommen und Schlüsse aus der Geschichte für die Gegenwart zu ziehen.» Buess ist über die Debatte nicht unglücklich, «wenn sie sich nicht von Zerrbildern leiten lässt». Schon lange seien die Archive der Basler Mission offen, um über positive wie negative Seiten der Missionsgeschichte zu recherchieren.

Gegen die Klischees

Was aber Buess kritisiert: Oft würde das Wort Mission reflexartig negative Klischees befördern. So brachte die «Weltwoche» pauschalisierend das Wirken der Basler Mission auf folgenden Nenner: Mit Sklavenbesitz, ausbeuterischen Praktiken und kulturellem Imperialismus hätten sich die 3000 aus Basel entsandten Missionare zu «geschäftstüchtigen Kolonialisten» verwandelt. Selbst 23 ihrer Glaubensverkünder hätten nicht weniger als «242 Haussklaven in Ghana» besessen.

«Weder Sklave noch Freier»

Faktenbasierte Geschichte geht anders, wie die Archivarin Andrea Rhyn erzählt. Der damalige Leiter des Missionswerks, Joseph Josenhans, verbot strikt jede Sklaverei, was zum Zeitgeist der erweckten Christen passt. Sie organisierten zuerst in England, dann in ganz Europa, moralische Kampagnen zur Abschaffung der Sklaverei. Geprägt von diesem Geist entliess der schwäbische Pietist Josenhans einen sklavenhaltenden Missionar und dekretierte den einheimischen Gemeindemitgliedern in Ghana, ihre Haussklaven zu entlassen. «Vergleichbar ist das System der Haussklaven nicht mit dem Leid, das der transatlantische Sklavenhandel hervorgebracht hat», sagt Historikerin Andrea Rhyn. Aber der tiefgehende Gesinnungswandel in Europa gegenüber der Sklaverei liess hier keine Kompromisse zu. Von nun an galt das Paulus-Wort: «Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus.»

Die befreiende Wirkung der Mission

Wie fällt die Bilanz der Missionsgeschichte aus? Waren die Missionare Wegbereiter des Imperialismus? Die marxistische Geschichtsschreibung antwortet auf diese Frage mit einem klaren Ja. Unbestreitbar: Der neue Glauben löschte bei den Neubekehrten alte Werte, kulturelle und religiöse Traditionen aus. Eurozentrische Vorstellungen der Missionare lösten oft kollektive Formen der landwirtschaftlichen Produktion und solidarische Tauschverhältnisse der Stammeskultur auf.

Bibel und Fibel

Dennoch ist diese Sicht einseitig. Bibel-Übersetzungen in indigene Sprachen sicherten deren Überleben. Der Globalhistoriker Osterhammel bringt den kulturellen Gewinn der Missionare des 19. Jahrhunderts auf die prägnante Formel. Die europäischen Verkünder hätten «vieles im Angebot: «Bibel und Fibel, Seife und Monogamie».

Vor allem die Fibel – sprich: die Bildung – war ein nicht zu unterschätzender Faktor. Dank der Ausbildung der Seminaristen gelang den Begabten der soziale Aufstieg zu Pfarrern und Lehrpersonen. Sie bildeten bei der Basler Mission (BM) die Basis für die rasche Emanzipation der jungen Kirchen von ihrem Schweizer Mutterhaus. Bis heute nehmen sie gleichberechtigt in der Missionssynode Einsitz.

Patrick Moser, Historiker und Archivar bei Mission 21, erinnert an die vielen Absolventen der Missionsschulen, ob katholischer oder evangelischer Provenienz, die später zu Anführern der ersten Generation der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegung avancierten.

Eines entwickelte sich nach Moser für die BM zu einem besonderen Spannungsfeld: Da viele Missionare deutsche Staatsbürger waren, wurde dies mit dem Aufstieg Deutschlands zur Kolonialmacht problematisch. Tatsächlich wurde die Basler Mission vom deutschen Kaiserreich in Kamerun privilegiert und als deutsche Mission angesehen. Trotzdem lieferten einzelne Missionare der BM der kolonialen Opposition in Deutschland wichtige Dokumente über Kolonialgräuel und Unterdrückung, beispielsweise über den deutschen Gouverneur in Kamerun, Jesko von Puttkamer, und dessen Politik der Landenteignung.

Christliche Botschaft revolutionär

Mit der kolonialen Kritik von Missionaren beschäftigte sich auch Rebekka Habermas in ihrem Buch «Skandal in Togo». Auch in der ehemaligen deutschen Kolonie deckten Missionare Skandale auf und informierten Abgeordnete des Reichstags. Interessanter Befund der Historikerin: Gerade die von der christlichen Theologie behauptete Gleichheit aller Menschen war elektrisierend für die Befreiungsbewegung. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk drückt dies die Forscherin so aus: «Das Paradoxe der missionarischen Wirkung ist, dass sie diese christliche Grundbotschaft nach Afrika gebracht hat.» Auf diese ideologische Folie stützte sich die erste Generation der Befreiungskämpfer argumentativ ab. «Ein sehr, sehr positives Ergebnis der Mission» ist dies für Habermas, wenn auch ungewollt.

Delf Bucher, kirchenbote-online

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