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Pfarramt und Elternsein – Wie geht das?

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05.05.2022
Pfarramt und Familie unter einen Hut zu bringen ist eine Knacknuss. Insbesondere wenn der Berufseinstieg und die Familiengründung zeitlich zusammenfallen, weiss Denise Perret.

Denise Perret, Sie sind Pfarrerin in Sissach und haben zwei Kinder im Alter von sechs und neun Jahren. Wie teilen Sie und Ihr Partner sich Familienarbeit und Erwerbstätigkeit auf? 
Genau hälftig. Das ist mit vielen Absprachen und organisatorischen Purzelbäumen verbunden, von denen wir aber meinen, dass sie sich lohnen.

Bringen Sie Ihre Rolle als Pfarrerin und Mutter gut unter einen Hut?  
Ja, meistens. Es klappt gut, weil ich in einer Kirchgemeinde arbeite, die viel Wert auf Vereinbarkeit legt. Ausserdem habe ich das Glück, in einem Team zu sein, in dem viel Rücksicht und Verständnis für die Lebenswelt der anderen vorhanden sind.Organisatorisch herausfordernd wird es, wenn ein Kind krank ist oder wenn ich und mein Mann gleichzeitig Termine haben, die wir unmöglich absagen können. Das löst Stress aus. Einerseits bin ich sehr flexibel mit dem Einteilen meiner Arbeitszeit, und das hat grosse Vorteile. Gleichzeitig möchte und muss ich erreichbar sein. Das passt manchmal besser und manchmal gar nicht.

Wie gelingt es Ihnen, sich abzugrenzen vom Berufs- oder dann Familienalltag?
Diese Frage stellt sich jeden Tag, gerade wenn man den Beruf auch als Berufung versteht. Ich bin 100 Prozent Pfarrerin in einem 50 Prozent Pensum – und gleiches gilt für die Mutterschaft. In dieser Thematik gibt es keine Patentrezepte, denn es spielen verschiedene Faktoren zusammen. Schon allein die Frage, ob ich in einem Einzel- oder einem Teampfarramt arbeite ändert die Ausgangslage grundsätzlich.

Mit Leib und Seele Pfarrerin und Mutter im je 50-prozentigen Einsatz: Gibt das nicht zuweilen einen Gefühlssalat, wenn Sie sich auf eine Rolle konzentrieren müssen?
Doch, emotional war es für mich ein Lernprozess, dass ich in keinem Lebensbereich ganz aufgehen kann und häufig das Gefühl habe, mein Einsatz genügt nicht. Es ist immer zu wenig. Allerdings glaube ich, dass es für mich das beste aller möglichen Modelle ist. Das eine ist ein wichtiger Ausgleich für das andere und macht mich insgesamt zufriedener. Toll ist, dass die Kinder selber Verantwortung übernehmen und das auch müssen. Das hindert mich daran, eine allzu grosse Glucke zu werden.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele Eltern ein Thema. Sind die Herausforderungen für Sie als Pfarrerin anders als für die Lehrerin oder die Bankmanagerin?
In Fragen rund um die Work-Life-Balance denke ich nicht, aber als Pfarrerin bin ich in einem öffentlichen Amt, und die Öffentlichkeit beobachtet meine Kinder und mich sicher anders, weil ich «die Pfarrerin» bin. Wenn mein Sohn im Coop wütend ein Joghurt auf den Boden schmeisst, schauen manche genau hin, wie ich mit der Situation umgehe. In so einem Moment werde ich nicht nur als Mutter wahrgenommen, sondern eben auch als Pfarrerin. Ich versuche dann so gelassen wie möglich zu reagieren, weil ich mir vorstelle, dass eine ruhige und geduldige Reaktion erwartet wird. Aber bei der Lehrerin ist das wohl ähnlich. 

Wie sehen die Erwartungen an Sie aus in Sachen Kinderbetreuung? «Darf» eine Pfarrerin, ein Pfarrer die Kinder drei oder vier Tage in die Kita geben?
Das beurteilt jede und jeder anders, und doch glauben alle zu wissen, was für ein Kind das Beste ist. Wir Pfarrerinnen und Pfarrer bekommen das schon ausgeprägt zu spüren. Letztlich aber stellen wir uns die Kita-Frage wohl nicht mehr als Eltern mit anderen Berufen.  

Gerade weil Sie eine öffentliche Person sind, könnten Sie aber auch als Vorbildfunktion dienen, zum Beispiel für egalitäre Familienmodelle.
Ja ich sehe viele Chancen darin. In der reformierten Kirche mit ihrer flachen Hierarchie haben wir Pfarrerinnen und Pfarrer einen grossen Spielraum für Kreativität. Das zeigt sich auch im Familienleben. Mein Mann zum Beispiel hat berufsbedingt im Winter während zwei Monaten flexiblere Arbeitszeiten. So habe ich meine Amtswochen in dieser Zeit alle nacheinander gelegt. Eine Kollegin von mir nahm ihr Kind mal einige Male mit zum Seelsorgegespräch und entdeckte, dass das sehr gut ankam. In Taufgesprächen ergeben sich andere Gespräche, wenn die frisch gebackenen Eltern mitbekommen, dass die Pfarrerin oder der Pfarrer auch kleine Kinder hat.

Macht die Verknüpfung von Glauben mit Lebensnähe die Kirche zugänglich?
Ganz bestimmt, das erlebe ich immer wieder. Bin ich mit meinen Kindern an Anlässen im Dorf komme ich auf eine ganz andere Weise mit Menschen ins Gespräch als wenn ich Leute in meinem Büro bei der Kirche empfange. Pfarrerinnen und Pfarrer werden am Elternabend an der Schule als Eltern oder bei einem Naturschutzeinsatz in der Gemeinde greifbar. Das sehe ich als eine sehr grosse Chance für die Kirche. Es kann auch passieren, dass sich beim Abholen eines Kindes vor dem Kindergarten spontan ein Gespräch entwickelt, weil die Mutter eines Kindsgigspänlis sich fragt, wie die Kinder wohl den Tod des Haustiers verkraften werden. 

Welche Massnahmen haben Sie getroffen, um die Energien für den Beruf und die Familie in der Waage zu halten?
Das kann ich so nicht beantworten. Es ist ein ständiger Suchprozess von mir mit meinem Mann und in der Kirchgemeinde. Jeder Stundenplanwechsel wirbelt unser System durcheinander, und es bleibt ein Seiltanz auf der Grenze zwischen genug und zu wenig Energie. Aushandeln, Anpassen, Ausprobieren und Scheitern, das geschieht immer wieder von Neuem. Und das gibt mir Zuversicht: Wenn eines unserer Konzepte ausgedient hat gibt es ein nächstes, das es sich auszuprobieren lohnt. 

Nun geben Sie für Bildung Kirche, für die Aus- und Weiterbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern, erstmals ein Fachcoaching zur Vereinbarkeit von Pfarramt und Elternsein. Wie kam es dazu?
Die Vereinbarkeitsfrage wird in den ersten Amtsjahren immer wieder mal zum Thema. Das Bedürfnis, darüber zu sprechen, nahmen wir zum Anlass, ein entsprechendes Gesprächs-, Reflektions- und Bildungsangebot zu schaffen.

Anouk Holthuizen, reformiert.info

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