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«Die wollen etwas machen»

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20.06.2022
Der RefLab-Leiter Stephan Jütte über sein Online-Projekt, die Kritik daran und warum er sich auf seine neue Stelle bei der EKS freut.

Stephan Jütte, «Ich mag schwarzen Kaffee ohne Schnick-Schnack», liest man bei Ihnen auf der Website von RefLab. Was meinen Sie mit Schnick-Schnack?
Einfach ja keinen Sirup oder Milch! Also einfach nicht Starbucks, sondern richtigen Kaffee. Einfach schwarz.

Mögen Sie auch Kirche ohne Schnick-Schnack?
Nein, da ist es genau umgekehrt: Kirche mag ich mit vielen Lichtlein, Kitsch, Musik und Traritrara.

In dieser Hinsicht bietet die reformierte Kirche nicht sehr viel an. Sind Sie ein verkappter Katholik?
Das könnte beinahe sein. Meine Grossmutter war katholisch, und wir waren oft zusammen im bündnerischen Cazis in der Messe. Das liebte ich. Aber das Römisch-Katholische spricht mich ästhetisch an – von der theologischen Haltung her bin ich lieber reformiert.

Über sechs Jahre waren Sie bei der reformierten Landeskirche in Zürich angestellt und haben sich auf Facebook für eine «fantastische Zeit» bedankt. Was war da besonders toll?
Es herrscht ein Klima, das einen ermutigt, etwas auszuprobieren, und in dem man viel Vorschussvertrauen erhält. Alle freuen sich, wenn etwas gelingt. Das war super motivierend, ich ging jeden Tag gerne arbeiten.

Vor gut zwei Jahren haben Sie zusammen mit anderen die Plattform RefLab gegründet, wo Sie Podcasts und Blogs produzieren – eine sehr aktuelle Erscheinungsform der reformierten Kirche. Sie hatten das Ziel, den Leuten näher zu kommen. Haben Sie das erreicht?
Das ist schwer zu sagen. Nähe ist schlecht messbar. Aber sicher sind wir einigen Menschen nahe gekommen. Das merken wir gerade jetzt, wo wir endlich wieder Live-Veranstaltungen machen können: Es kommen Leute, die wir noch nie gesehen haben, mit denen wir aber schon über unterschiedliche Kanäle Kontakt hatten. Und sie kommen nicht mehr einfach aus dem Kreis 1 in Zürich, wo wir sind, sondern von Aarau, Biel und anderen Orten. Daher würde ich schon sagen, dass einiges gelungen ist.

Es gibt auch Kritik: Die Produktionen seien sehr teuer und brächten den Kirchgemeinden nicht viel mehr als Kosten. Was sagen Sie dazu?
Ich habe ehrlich gesagt nie begriffen, warum man sagt, es sei zu teuer. Wir hatten ja vorher schon einen Bildungsauftrag, der das abdecken sollte, was Kirchgemeinden nicht anbieten. Das RefLab ist nicht teurer als seine Vorgängerform. Wir wurden einfach sichtbarer, und darum hatten nun plötzlich alle eine Meinung dazu – was ja eigentlich schön ist. Die meisten finden es übrigens aber nicht zu teuer. Sie fragen viel mehr, was unsere Ziele sind, unsere Zielgruppen. Und je mehr wir darüber sprechen können, desto besser werden wir verstanden.

Ein weiterer Vorwurf lautet, RefLab richte sich vor allem an ein städtisches Publikum.
Das stimmt, doch das ist auch unser Auftrag. Wir sollten Milieus ansprechen, die nicht mehr so stark von den Kirchgemeinden erreicht werden. Und viele von diesen Menschen leben nun mal in Städten. Das zeigt also, dass wir den Auftrag gut umsetzen. Was ein Problem bleibt und von RefLab nicht werden kann: Wir werden sicher nicht neue Kirchenmitglieder bringen. Ich habe immer gewitzelt: Im besten Fall wird es gelingen, dass jemand wegen uns ein Jahr später austreten wird. Aber das Mitgliedschaftssystem der reformierten Kirche ist für ganz viele Menschen in ihren Lebenswelten nicht mehr zeitgemäss. Das muss man ganz grundsätzlich revidieren.

Wenn Kirchgemeinden monieren, dass sie nicht nur zahlen möchten, sondern mitmachen: Wie könnten sie sich aktiv einbringen?
Ich glaube nicht, dass es bei RefLab darum geht, dass alle mitmachen. Eher könnte man in den Gemeinden sagen: Gut, dass dieser Bereich abgedeckt ist! Das können wir über unsere Kanäle verbreiten.

 

 

Was ist Ihr persönliches Highlight aus der Zeit bei RefLab?
Es ist enorm schwierig, ein einziges zu nennen. Das Erste ist der Start. Wir gingen online – und nach zwei Wochen kam die Pandemie mit dem Lockdown. Wir mussten alle von zuhause aus arbeiten. Damit hatten wir natürlich nicht gerechnet. Aber wir brachten es zustande, dass der ganze Content geliefert wurde und Teamsitzungen online stattfinden konnten. Dabei waren wir sogar produktiver, als wir es uns vorgenommen hatten. Das war motivierend und ein super Start für das Team – bei allem, was auch tragisch war in der ganzen Situation.

Und ein weiteres?
Das Zweite war, als der deutsche Religionssoziologe und Sozialphilosoph Hans Joas ganz unkompliziert auf eine Mailanfrage für eine Podcastaufnahme zusagte, als er mal in Zürich war. Er fände dieses Format sowieso interessant, schrieb er. Wir trafen uns dann im Café des Hotels, in dem er logierte, und während sie nebenan Geschirr zusammenräumten und einen riesigen Lärm machten, nahmen wir unser Gespräch auf. Hans Joas ist ein toller Typ und bescheidener Mensch. Podcasts sind ein gutes Instrument, um an Leute heranzukommen, für die man sonst aufwändig etwas veranstalten müsste.

Sie sind der Typ, der gern zu den Leuten geht.
Ja, das ist wohl etwas, das mich mit ganz vielen Menschen verbindet, die in der Kirche arbeiten. Wer heute in der Kirche arbeitet, muss gerne zu den Leuten hingehen, da sie ja nicht mehr zu einem kommen. Und darum ist das wahrscheinlich der Normalfall.

Ist der Wechsel zur EKS jetzt ein Karriereschritt?
Ich habe mir noch nie meine berufliche Zukunft ausgemalt im Sinn einer Karriere, die irgendwo hingeht. Mich hat immer das nächste Projekt gereizt. So gesehen ist es ein Karriereschritt, weil ich die nächsten spannenden Projekte vor mir habe mit tollen Menschen.

Sie werden auch persönlicher Mitarbeiter der EKS-Ratspräsidentin Rita Famos. Worauf freut sie sich, wenn Sie zu ihr arbeiten kommen?
(lacht) Das müsste man sie fragen. Aber wir haben ja schon eine Zeit lang zusammengearbeitet bei den Gesamtkirchlichen Diensten in Zürich. Und so, wie wir dort etwas Berner Spirit nach Zürich bringen konnten, können wir jetzt vielleicht etwas Zürcher Geist nach Bern bringen – das wäre nicht schlecht. (lacht) Ich glaube, sie freut sich darauf, dass sie mit mir jemanden hat, der sagt, was er denkt. Wir können streiten auf der Sachebene und uns zwischenmenschlich trotzdem verstehen.

Was ist das Schlimmste, das ihnen bei der EKS passieren könnte?
Dass es langweilig wird. Wenn man keinen Spielraum mehr hätte, was auszuprobieren, wenn man in einem Angstklima wäre, wo ja kein Fehler gemacht werden dürfte: Das wäre schlimm. Aber ich habe nach zwei Gesprächen den ganz sicheren Eindruck erhalten, dass es bei der EKS nicht so ist. Die haben nicht Angst, die wollen was machen.

Haben sie dort auch eine anständige Kaffeemaschine?
Im ersten Stock ist eine super Maschine. Das konnte ich auch schon ausprobieren, ganz feiner Kaffee.

Interview: Katharina Kilchenmann, reformiert.info

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