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Von furchtlosen Frauen und lästigen Unterländern

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19.07.2022
Im 14. Jahrhundert flogen im Val Lumnezia die Fetzen. Heute präsentiert sich das Tal des Lichts als friedliche Idylle und bietet beschauliche Wanderwege mit wohltuenden Ausblicken.

Die Frauenfussball-Europameisterschaft ist bald vorbei, und niemand hat sich für die Topspielerinnen interessiert. Anders im Tal des Lichts in Graubünden. Dort geniessen Frauen einen hohen Stellenwert. Und das hat Gründe. Das Val Lumnezia, mit 25 Kilometern das längste Seitental der bündnerischen Surselva, war im 14. Jahrhundert Schauplatz einer weiblichen Heldentat. 1352 haben wehrhafte Lugnezerinnen in der Schlacht bei Porclas das Tal des Lichts gegen die Grafen von Werdenberg-Sargans erfolgreich verteidigt. Die Gewinnprämien wurden zwar nicht an jene der Männer angepasst, aber immerhin durften die Frauen fortan auf der rechten Seite der Kirche in Pleif sitzen – da, wo sonst die Männer ihren Platz haben.

Üblicherweise thronen in den Kirchen und Kapellen Männerstatuen auf den Altären. Nicht so im Lugnez. In Degen sind es allein auf dem Hauptaltar sieben Statuen von heiligen Frauen – eine davon die heilige Margareta mit dem Fuss auf dem gebändigten Drachen, der für die Naturgewalt steht und sich ob der weiblichen Kraft lammfromm unterwirft. Auch andernorts gab es früher gefürchtete Frauen. Einige hundert Kilometer nördlicher – in Skandinavien – waren es die «sköldmö» (Schildmaiden), die Frauen der Wikinger. Sie kämpften ebenfalls todesmutig für ihre Kinder und Häuser.

Blut, Schweiss und Tränen
Steht man kurz vor Cumbel am steilen Abhang der Strasse, die letztlich hinauf nach Vrin und danach als Saumweg in die Greina-Ebene und weiter ins Tessin und nach Italien führt, ist gut vorstellbar, mit welcher Wucht die Felsbrocken auf die Feinde und anschliessend in den Fluss Glenner donnerten. Blut und Wasser müssen meterhoch gespritzt haben. In der Wildheit des Kampfes seien die Gliedmassen durch die Luft geflogen, und das Geschrei der Gemarterten habe die Wildtiere in die Flucht geschlagen. Heute erinnert noch das Frauentor (Romanisch Porclas) unterhalb des Dorfes Cumbel an den Kampfeswillen der kriegerischen Amazonen. Das Tor war damals Teil einer Sperrmauer, die das Tal gegen fremde «Fötzel» und arrogante Unterländer abriegelte. Heute bereisen diese das Tal als Touristen getarnt und lassen den Blick über die bio-diversifizierten Alpenwiesen schweifen, die dem Betrachter Beschaulichkeit und Frieden versprechen. Auf der asphaltierten Strasse tuckern Autos mit Zürcher Nummernschildern, ab und an verfolgt von einem Graubündner – GR für Gebirgs-Rowdy –, der dieses langsame Vor-sich-hin-Schleichen nicht mehr aushält und zur Attacke aus- und überholt. Als Ausdruck der latenten Abneigung gegen fremde Herren, die mit ihrem Geld den Ureinwohnern den Platz streitig machen.

Kraftorte im Überfluss
Ob sich im Tal darum so viele Kraftorte gebildet haben, weil sich über die Jahrhunderte viel Kraft manifestierte, bleibt eine These. Dennoch sei die Kraft, so sagen viele, an mehreren Orten im Tal deutlich spürbar. So beispielsweise beim Findling im Erlenwald in der Nähe von Surcasti oder im Weiler Puzatsch, durch den ein historischer Weg über den Pass Diesrut in die Hochebene der Greina führt. In der Ruhe des Tals lässt sich jedenfalls Kraft tanken – der Mensch wird still, richtet den Fokus auf das Wesentliche und findet Frieden.

Text und Fotos: Toni Schürmann, kirchenbote-online

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