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Nicht nur «Oh du fröhliche»

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29.11.2022
Weihnachten in Zeiten des Krieges in Europa – ein immenses Spannungsfeld. Das Historische Museum Bischofszell wagt sich an die Thematik heran und vermittelt die Weihnachtsbotschaft auf aussergewöhnliche Art und Weise.

 

Seit mehr als 40 Jahren sammelt Alfred Dünnenberger weihnachtliche Gegenstände – darunter Christbaumschmuck, Adventskalender und historische Erinnerungsstücke. Nun gestaltet er erstmals eine historische Weihnachtausstellung in der Ostschweiz, zu der er als Bürger von Weinfelden und als Ehemann einer Ostschweizerin einen speziellen Bezug hat. Nicht nur der Ausstellungsort ist neu, sondern auch der Inhalt: «Der Ukrainekrieg in nächster Nähe machte mir schlagartig deutlich, dass die Präsentation von ‹heiler› Weihnacht dieses Jahr nicht angebracht ist.» Ein Teil der Ausstellung ist deshalb thematisch an den Ukrainekrieg angelehnt.

Soldaten statt Engel

Früher sei es selbstverständlich gewesen, Weihnachten für patriotische Zwecke zu nutzen, erklärt Alfred Dünnenberger: Man habe sprichwörtlich «Flagge gezeigt» und den glitzernden Baum und die Engel «ohne Hemmung mit Soldaten und Heerführern samt martialischem Kriegsgerät ergänzt ». Wenn dann «erhabene Ziele» erreicht worden seien, habe der Christbaum auch schon mal zu einem «eigentlichen Siegesbaum mutieren können». Zum christlichen Fest der Liebe sei immer wieder auch die Opferbereitschaft der eigenen Bevölkerung idealisiert worden. Dünnenberger spricht Klartext: «Weihnachten wurde für die psychologische Kriegsführung eingesetzt». Marie-Claire Signer, Vorstandsmitglied des Historischen Museums Bischofszell, ist beeindruckt: «Die Ausstellung bringt Weihnachten aus einer neuen Perspektive und mit viel Tiefgang näher.» Es gehe nicht nur um den «Jöö»-Effekt: «Die Besucher werden zum Nachdenken angeregt: Welche Bedeutung hat die christliche Weihnachtsbotschaft in der heutigen Zeit und für einen persönlich?»

Weihnachtliche Magie erleben

Unter den seltenen Gegenständen in Dünnenbergers Sammlung befinden sich Raritäten wie Adventskalender, Nikoläuse, Engel, Christbaumschmuck und Krippen. Trotz des Krieges zeugen viele von ihnen von der weihnachtlichen Magie. Die Ausstellung, die bis Ende Januar 2023 besichtigt werden kann, erzählt Geschichten aus der Entwicklung des Weihnachtsfests – von Jesu’ Geburt bis ins 20. Jahrhundert. Gegliedert ist sie in fünf Themenbereiche: Man erfährt zum Beispiel, wer den Adventskalender erfunden hat, warum jahrhundertalte Zuckerware bis heute überdauert hat, oder wie sich der Christbaumschmuck im Laufe der Jahre und Jahrhunderte verändert hat. Besonders eindrücklich sind jene Geschichten, die wieder lebendig werden, als frühere Kriegsgegner einst an der Front gemeinsam Weihnachten feierten. Mit seinen «Faulenzer-Krippen» weckt Dünnenberger zudem die Neugier auf eine ganz andere Art.

Roman Salzmann