Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

«Die Justizreform darf nicht durchkommen»

von Nadja Ehrbar, reformiert.info
min
15.03.2023
Die israelische Regierung will die Justiz schwächen. Marc Bär, Schweizer Delegierter für Meretz beim World Zionist Congress, sagt, weshalb das auch das Ende des Zionismus bedeuten könnte.

Herr Bär, was passiert gerade in Israel?
Bei den Wahlen im November 2022 sind die Knesset, das Parlament, und die Regierung nach rechts gerückt, der Einfluss religiöser Kräfte ist gestiegen. Die Wahlen sind demokratisch abgelaufen, so demokratisch wie in Ungarn, den USA und Italien. Nun fürchten die Israelis, dass gewisse Grundrechte wie die Gewaltentrennung nicht mehr eingehalten werden.

Woher kommt diese Befürchtung?
Israel hat kein Grundgesetz, darum braucht das Land eine unabhängige Justiz. Doch diese soll mit einer Reform geschwächt, die Gewaltentrennung ausgehebelt werden. Kommt es soweit, ist die Demokratie in Gefahr. Die Exekutive kann dann eigenmächtig entscheiden, was sie als Grundrechte erachtet. Also ob etwa alle Israelis als gleichberechtigt gelten.

Oder ob alle Juden in Israel einwandern dürfen.
Genau. Bisher galt: Wenn ein Grosselternteil jüdisch ist, dann gelten alle dessen Nachkommen als Juden und dürfen den israelischen Pass erwerben. Das ist eine Absicherung für den Fall, dass sie in ihrem Ursprungsland verfolgt werden. Gibt es diese Absicherung nicht mehr, sind sie im Falle einer Verfolgung vogelfrei und können nicht mehr nach Israel flüchten.

Und was bedeutet die rechtsextreme Regierung für den Zionismus?
Netanjahus Regierung ist nicht nur rechtsextrem, sondern auch anti-zionistisch und rassistisch. Der Zionismus kennt gewisse Regeln. Nämlich, dass all jene, die in Israel leben, gleiche Bürgerrechte und Chancen haben. Er respektiert die vielfältigen Formen des Judentums. Gelten diese Regeln nicht mehr, ist das das Ende des Zionismus. Deshalb gibt es namhafte israelische Stimmen des weltweiten Zionistenverbandes, die sich öffentlich gegen die Regierung aussprechen.

Was kann die jüdische Diaspora tun, damit die zionistische Bewegung nicht stirbt?
Sie kann diejenigen unterstützen, die sich für ein freieres Israel einsetzen.

Und wie soll das konkret gehen?
Indem sie dem New Israel Fund (NIF) finanziell unter die Arme greift. Der NIF setzt sich für Gleichberechtigung, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ein und ist in Israel führend. Angesichts der aktuellen Lage hat er ein Netzwerk gegründet, das wichtige Akteure unterstützt, die sich gegen die Reform wehren.

Haben Sie ein Beispiel für einen solchen Akteur?
Die Association for Civil Rights in Israel (ACRI), die der Regierung auf die Finger schaut und genau hinsieht, wenn die zivilen- und Menschenrechte, die für alle Bewohner Israels gleich gelten, nicht eingehalten werden. Ein anderer Akteur, der momentan unterstützt wird, ist der Human Rights Defenders Fund, welcher das Recht zu Protesten und Demonstrationen verteidigt.

Geht es bei der Justizreform um Inhalte oder um etwas anderes?
Im Grunde versuchen die Regierungsmitglieder alles, um nicht vor Gericht zu kommen. Netanjahu geht es nur um sich selbst, er will der eigenen Strafverfolgung wegen Korruption entkommen. Ich hoffe, dass die Proteste in Israel stark genug sind und dass sich Knesset-Abgeordnete seiner Likud-Partei gegen ihn wenden.  

Angenommen, die Regierung bringt die Justizreform durch. Was geschieht dann?
Das darf nicht geschehen! Darum möchten wir alle jene moralisch und finanziell unterstützen, die sich gegen die Regierung auflehnen. Je mehr sie bewirken, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung auseinanderbricht, so dass es Neuwahlen gibt. Das wäre ja nicht das erste Mal und auch nicht das schlechteste Szenario.

 

Unsere Empfehlungen

Die Moral erobert die Politik

Die Moral erobert die Politik

Die Klimadebatte sei moralisch und religiös aufgeladen. Dies führe zu Unversöhnlichkeit, sagt der Publizist Felix E. Müller. Statt vom Weltuntergang zu reden, müsse die Politik den pragma­tischen Kompromiss suchen.
Die Moral erobert die Politik (1)

Die Moral erobert die Politik (1)

Die Klimadebatte sei moralisch und religiös aufgeladen. Dies führe zu Unversöhnlichkeit, sagt der Publizist Felix E. Müller. Statt vom Weltuntergang zu reden, müsse die Politik wieder den pragmatischen Kompromiss suchen.