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Blutige Smartphones: Wie fair sind unsere Handys?

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01.01.2016
Smartphones, Tablets und Computer werden oft unter katastrophalen Bedingungen produziert: menschenverachtende Arbeits­bedingungen und gravierende Umwelt­verschmutzungen sind weit verbreitet.

«Hallo, ich bin Dein i-Phone. Wir haben ja schon viel miteinander erlebt, aber es gibt einiges, was Du nicht weisst.» Auf der Website des christlichen Hilfswerks «Brot für alle» kann man sein Smartphone seit kurzem beichten lassen. Das, was es dem Zuhörer anvertraut, ist alles andere als ein Ruhmesblatt für die Hersteller: Metalle aus Bürgerkriegsgebieten, Fabriken, in den die Arbeiterinnen und Arbeiter stundenlang schlecht bezahlt am Fliessband stehen und leere Umweltschutzversprechen.
Gemeinsam mit «Fastenopfer» hat die Entwicklungsorganisation diesen Sommer zehn Marken untersucht, welche in der Schweiz den grössten Marktanteil bei Computern und Smartphones haben. Das Resultat des Ethik-Ratings: «Auf gutem Weg» sind lediglich die Konzerne HP und Nokia. Die Noten «mittelmässig» erhalten Apple und Dell, «ungenügend» gibt es für Acer, Lenovo, Samsung, Sony. Gar «inakzeptabel», so «Fastenopfer» und «Brot für alle», seien die Produktions- und Arbeitsbedingungen von Asus und HTC.
Mehrheitlich seien die Konzerne zwar daran, die Herstellungsbedingungen zu verbessern. Besonders dem Umweltschutz werde mehr Beachtung geschenkt. Bei den Arbeitsbedingungen müsse hingegen noch vieles verbessert werden. Besonders der Gesundheitsschutz, die Bezahlung existenzsichernder Löhne und die Arbeitsrechte seien oft mangelhaft.

Ausbeutung in Kongo und China
Bei der Vorstellung der Ergebnisse in Bern, die unter der bewusst provokanten Frage «Wie viel Blut klebt an unseren Smartphones?» stand, sprachen zwei Vertreter aus direkt betroffenen Ländern: aus dem Kongo und aus China. Bischof Fridolin Ambongo berichtete von desaströsen Bedingungen beim Rohstoffabbau in der Demokratischen Republik Kongo. Dieser sei begleitet von Vertreibungen, Umweltzerstörung und kriegerischen Konflikten. Obschon zunehmend mehr Bodenschätze abgebaut werden, steige weder das Einkommen der Haushalte noch gebe es eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung. Einen Boykott von Smartphones und Computern halte er allerdings nicht für sinnvoll. Mit der Bischofskommission kämpfe er dafür, dass die kongolesische Regierung einen internationalen Rechtsrahmen schaffe, innerhalb dessen die Unternehmen legal, transparent und gerecht Mineralien für die Hightech-Produkte abbauen können, der aber auch für die lokale Bevölkerung ertragreich sei.
Am anderen Ende der Produktionskette von Elektronikprodukten stehen oft Fabriken in China. Auch hier gehören Ausbeutung und Verletzung von Arbeitsrechten zum Alltag, berichtete Pui-Kwan Liang, Projektverantwortliche einer Studentenorganisation gegen Firmenfehlverhalten. Bis zu 14 Stunden Arbeit am Tag zu einem Lohn, der zum Leben nicht reiche. Um Lagerkosten zu sparen, bestellten die Konzerne extrem kurzfristig. Den Druck gäben die Zulieferunternehmen an ihre Beschäftigten weiter: Bis zu 50 Überstunden pro Woche müssten sie leisten, um die Lieferfristen einzuhalten.

Alternatives Fairphone
Angesichts dieser Tatsachen liegt die Frage auf der Hand, ob es eine Alternative zu den gängigen Handys gibt ein Smartphone, «an dem kein Blut klebt», wie die Hilfswerke es formulieren. Die Antwort ist leider nein. Dies gilt auch für das Fairphone. Es ist das erste Smartphone, das unter möglichst fairen Bedingungen hergestellt werden soll. Auch wenn der Name es suggeriert, ist das Fairphone noch weit davon entfernt, allen ethischen und ökologischen Kriterien zu entsprechen. Erst zwei der verwendeten Rohstoffe stammen aus garantiert konfliktfreien Minen. Die grösste Knacknuss bleibt die Lieferkette. In einem Handy stecken 30 verschiedene Metalle und jedes hat seine eigenen Lieferanten und Sublieferanten. Wer etwas verändern will, muss auch diese kennen.
Das Rating der grossen Elektronikhersteller gibt den Konsumenten in der Schweiz eine wichtige Orientierungshilfe. Aber auch öffentliche Beschaffer wie Bund, Kantone oder Kirchgemeinden sollten beim Einkauf möglichst fair hergestellte Geräte wählen. Darum fordert SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo, verbindliche Vorgaben durch den Gesetzgeber: «Im Gesetz muss verankert werden, dass beim Kauf von Gütern und Dienstleistungen nicht nur der Preis, sondern auch ökologische und soziale Kriterien bewertet und kontrolliert werden.»




Das können Sie tun
Nutzen Sie Ihre Geräte so lange wie möglich.
Verkaufen oder verschenken Sie Ihr altes Gerät, damit es weiter genutzt werden kann.
Vergleichen Sie beim Kauf auch soziale Kriterien.
Denken Sie daran, dass es auch gute Occasionsgeräte gibt.
Überlegen Sie sich, sich ein Fairphone zuzulegen.

Annette Meyer zu Bargholz

Links:
www.hightech-rating.ch


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