Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

Gemeinsam lässt sich viel bewirken

min
01.03.2016
Das gemeinsame Engagement verschiedener Gruppierungen hat die Ablehnung der SVP-Initiative möglich gemacht. Auch die Kirche hatte ihren Anteil daran.

58,9 Prozent Nein zur Durchsetzungsinitiative: Damit hatte kaum jemand gerechnet. Noch im Dezember 2015 hatten die Umfragen eine klare Zustimmung zur SVP-Initiative erwarten lassen. Nun hat eine breite Bewegung aus verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen einen Wandel der Volksmeinung bewirkt. Dazu zählt auch die Kirche, die sich in ungewöhnlichem Mass engagiert hat. Von der deutlichen Ablehnung durch den Schweizerischen Kirchenbund über vielfältige Aktionen kirchlicher Kreise bis hin zu Pfarrpersonen, die in Leserbriefen ihre ablehnende Haltung unmissverständlich ausdrückten oder am Zürcher Hauptbahnhof Flyer verteilten.

Pfarrerin Verena Mühlethaler begrüsst, das starke Engagement der Kirche im Abstimmungskampf. «Es ist gut, dass die reformierte Kirche sich klar positioniert hat», sagt die Pfarrerin von der Kirche Offener St. Jakob in Zürich. Die Kirche besitze ein Mobilisierungspotenzial bei ihren Mitgliedern. Gerade in Fragen, bei denen es um die Verteidigung von Menschenrechten, um genuin christliche Werte ginge, sei es wünschbar, wenn sich die Kirche klar hörbar vernehmen lasse. «Ich wünschte mir, dass die Kirche das noch stärker tun würde, auch auf kantonaler oder Gemeindeebene bei Abstimmungsvorlagen, in denen unser christliches Selbstverständnis herausgefordert wird.»
Laut Mühlethaler soll sich die Kirche immer dann gesellschaftspolitisch engagieren, «wenn es um elementare christliche Werte geht oder wo Minderheiten aus der Gesellschaft ausgeschlossen oder diskriminiert zu werden drohen. Da soll und muss sich die Kirche klar und deutlich vernehmen lassen.» Sie habe darauf zu achten, dass in unserer Gesellschaft eine gewisse Barmherzigkeit und Gerechtigkeit nicht verloren gehe, wie dies bei der Durchsetzungsinitiative mit dem Wegfall der Härtefallklausel der Fall gewesen wäre.

Wichtiges Engagement der Landeskirchen
Auch die Zürcher CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer zeigt sich überzeugt, dass die Kirchen einen massgeblichen Einfluss auf den Abstimmungsausgang hatten, auch wenn sie die breite Ablehnungsfront als «Gesamtwerk» der zivilgesellschaftlich engagierten Kräfte und der Politik versteht. Als wichtig erachtet sie, dass sich beide Landeskirchen engagiert hatten, zusammen mit anderen Vertretern verschiedenster Organisationen, Einzelpersonen und Kulturschaffenden. «Viele Stimmbürger sagten sich, wenn alle so dagegen sind, dann kann etwas nicht stimmen mit dieser Initiative.» Besonderes Gewicht misst die Zürcher Nationalrätin dem Umstand zu, dass sich die Kirche diesmal viel stärker als bei andern Vorlagen engagierte. «Das war ein Novum und machte darum bei vielen grossen Eindruck.»

Der Anteil der Kirche an der Ablehnung sei schwer zu beziffern, meint Politologe Georg Lutz von der Universität Lausanne. «Entscheidend war, dass die Ablehnung derart flächendeckend und massiv ausfiel, von Organisationen, der Kirche, von Künstlern bis hin zu Professoren.» Lutz ist überzeugt, dass die Kirche mit ihren klaren Stellungnahmen nicht bloss offene Türen bei ihrer eigenen Klientel einrannte. Es habe sicher auch religiös konservative Menschen gegeben, die geneigt gewesen wären, Ja zu stimmen, doch habe das klare Votum namhafter Kirchenvertreter bewirkt, dass sie die SVP-Initiative ablehnten.

Mühlethaler wertet den Abstimmungsausgang als «Ermutigung». Es zeige sich, dass viel erreicht werden könne, wenn man sich zusammenschliesse und organisiere : «Man kann gemeinsam dafür sorgen, dass die Schweiz ein demokratisches Land bleibt, in dem die humanitären Errungenschaften erhalten bleiben.» Schmid-Federer ist erleichtert über den Ausgang der Abstimmung. Doch auch in Zukunft müssten die gleichen gesellschaftlichen Kräfte wieder zusammenstehen: «Die SVP wird weitere Vorlagen mit ähnlicher Stossrichtung bringen. Da braucht es wieder soviel Engagement der Gegenkräfte.»

Ähnlich sieht es Georg Lutz: «Es hat sich gezeigt, dass die SVP nicht die unbedingte Definitionsmacht hat über das, was das Volk angeblich will.» Wenn breit mobilisiert werde, sei eine solche Abstimmung zu gewinnen. «Dann lässt sich eine Dynamik reinbringen, die zum Erfolg führt.»

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Stefan Schneiter / reformiert.info / 29. Februar 2016

Unsere Empfehlungen

Die Moral erobert die Politik

Die Moral erobert die Politik

Die Klimadebatte sei moralisch und religiös aufgeladen. Dies führe zu Unversöhnlichkeit, sagt der Publizist Felix E. Müller. Statt vom Weltuntergang zu reden, müsse die Politik den pragma­tischen Kompromiss suchen.
Die Moral erobert die Politik (1)

Die Moral erobert die Politik (1)

Die Klimadebatte sei moralisch und religiös aufgeladen. Dies führe zu Unversöhnlichkeit, sagt der Publizist Felix E. Müller. Statt vom Weltuntergang zu reden, müsse die Politik wieder den pragmatischen Kompromiss suchen.