Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

Deutschland im Lutherfieber

min
24.03.2016
Das Jubiläumsjahr 2017 naht. Das Reformationsfieber packt die Deutschen. Auch Schweizer Kirchgemeinden lassen sich anstecken. Erich Huber, ehemaliger Pfarrer von Wangen, verrät, warum sich der Abstecher zu den Stätten der Reformation lohnt.

Erich Huber, im Hinblick auf das Reformationsjubiläum reisen etliche Kirchgemeinden nach Ostdeutschland. Warum lohnt sich diese Reise?

2017 wird ein Ereignis von weltweiter Bedeutung gefeiert. Aus allen Erdteilen besuchen Menschen die Stätten der Reformation. Diese befinden sich vor allem in Sachsen und Thüringen. Dort hat die Reformation ihren Anfang genommen mit Luthers Thesenanschlag gegen den Ablasshandel in Wittenberg am 31. Oktober 1517. Die Lutherstätten erwarten ihre Gäste gut vorbereitet. Ich bin beeindruckt, was da aufgebaut wurde.

Was gibt es zu sehen?

Zum Auftakt der Reise besuchen wir ein kleines Lutherseminar in Auer-bachskeller in Leipzig. In der Lutherstadt Eisleben erstrahlt die Taufkirche Martin Luthers in neuem Glanz, Geburtshaus und Sterbehaus sind zu modernen Museen umgestaltet. Die Wartburg in Eisenach, auf der Luther in zehn Monaten das Neue Testament übersetzt hat, zieht als Unesco-Weltkulturerbe die Leute in Bann.

Welcher Reformator fasziniert Sie besonders?

Ich würde lügen, wenn ich jetzt Zwingli nennen würde. Obwohl auch er mich interessiert. Sein Ansehen ist bei mir durch die Ergebnisse der jüngsten Forschung stark gestiegen ist. Aber es ist Martin Luther, eine vielseitige und vielschichtige Persönlichkeit. Er steht am Anfang der Reformation mit seinen Schriften gegen den Ablasshandel und seinem Werk «Von der Freiheit eines Christenmenschen». Von Jugend an singe ich begeistert seine Lieder, die Choräle, die später Johann Sebastian Bach inspiriert haben. Sie zieren unser reformiertes Kirchengesangbuch. Natürlich habe ich mir das Luther-Playmobil-Männchen schon gekauft. Das Kind im Manne. (lacht)

Luther, Luther und nochmals Luther. Welchen Luther wollen Sie den Leuten vermitteln?

Einen Luther aus Fleisch und Blut. Der frühe Luther kämpfte unter Einsatz seines Lebens für die Freiheit des Glaubens und Gewissens, indem er dem Volk die Bibel in die Hand gab. Davon haben wir enorm profitiert und tun es noch. Ein Blick in die islamischen Länder bestätigt mir dies. Vor allem möchten wir auf der Reise etwas von seinem Humor und seiner Bodenständigkeit spüren. Ich höre gerne gute Witze und Sprüche. Luther war darin Spitze.

Wird Luther auch kritisch gesehen? Im Hinblick auf seine Haltung gegenüber den Fürsten, den Bauern oder Juden?

Luther konnte ein fürchterlicher Wüterich sein. Fast alle, die ihm nicht passten, überschüttete er mit Hohn und Spott bis hin zu Hass: den Papst, die Schwärmer, die Türken, die Juden, die Bauern, leider auch seinen eigentlichen Verbündeten Huldrych Zwingli. Ich bin gespannt, wie uns die diversen Reiseführer, die wir gebucht haben, Luther vermitteln.

Welchen Gedanken der Reformation soll die Kirche anlässlich des Jubiläums vermitteln?

Zurück zu den Quellen. Lest die Bibel. Die Kirche soll den Schatz heben, den sie in ihren Reformatoren hat. Es ist erstaunlich, welche tollen Ideen Martin Luther hatte. Wir befinden uns gegenwärtig weltweit in einem Wettstreit von Ideen und Ideologien. Die Reformatoren haben ein klares Programm. Luther und Zwingli betonen für das ethische Handeln das Gebot der Nächstenliebe. In doppelter Weise heisst das bei ihnen, für den Nächsten sorgen und sich für das Wohl des Staates einsetzen.

Sie reisen ja mit einer Gruppe, die von der Schweizer Reformation geprägt sind. Was gefällt Ihnen am Zürcher Reformator?

Huldrych Zwinglis Spruch «Tut um Gottes Willen etwas Tapferes». Und sein vehementer Einsatz gegen den Verkauf junger Schweizer als Söldner an die Heere im Ausland, an die Franzosen und den Papst. Und natürliche seine sozialen Reformen: Dass er in Zusammenarbeit mit dem Rat der Limmat-stadt den Bettlern Arbeit verschafft und darauf das Bettlerunwesen verbot, hat die wirtschaftliche und soziale Entwicklung nach vorne gebracht. Wir sehen heute noch, welch potente Stadt Zürich ist.

Die Schweiz feiert ihr Jubiläum im Schatten der grossen Feierlichkeiten in Deutschland. Auf was sollen die Schweizer Kirchen ihren Schwerpunkt legen?

Im Schatten würde ich nicht sagen. Eher in Zusammenarbeit und Partnerschaft. Viele Schweizer reisen jetzt nach Deutschland, um schon einmal zu schnuppern. Sie bringen von dort Impulse mit. Es geht für die gesamte Schweiz darum, gemeinsam neue Impulse aus der christlichen Religion zu schöpfen. Ich wünsche mir, dass Reformierte und Katholiken in unserem gemischt-konfessionellen Land zusammenspannen.

Zum Schluss: Diese Reise ist ja nicht nur eine kirchliche. Sie kennen ja Berlin und Ostdeutschland. Welche Spezialitäten sollte man unbedingt ausprobieren?

Ostdeutschland bietet für Leib und Seele etwas. Gut lutherisch, vom sächsischen Bier sollte man probieren. Schliesslich schätzte der Reformator das von seiner Frau Katharina gebraute Bier. Dazu eine Thüringer Rostbratwurst mit Brezel. Dann hat man schon mal gut gegessen. Nach dem leiblichen Genuss empfehle ich in Leipzig mindestens eines der fünf grossen Kabaretts zu besuchen. Etwa die «Sanftwut» oder die «Academixer». Der sächsische Humor ist schon besonders. Musik ist im Lande von Bach, dem Kantor der Thomaskirche Leipzig, allgegenwärtig. Darum ist ein Bachkonzert fast ein Muss.

Interview: Tilmann Zuber, 24.03.2016

 

Unsere Empfehlungen

Mitglied sein oder nicht

Mitglied sein oder nicht

Die digitale Grossgruppen-konferenz der Reformierten Kirche des Kantons Luzern hat sich innert kurzer Zeit zu einem nationalen Event etabliert. Über 200 Teilnehmende aus allen Regionen und Bereichen nahmen teil und diskutierten über das Mitgliedsein.
Den Wandel meistern

Den Wandel meistern

Am 30. April stimmen die Mitglieder der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt über die Totalrevision der Kirchenverfassung ab. Für deren Annahme braucht es eine Zweidrittelmehrheit.
51 Jahre für die Musik

51 Jahre für die Musik

Als 15-Jährige spielte Elisabeth Schenk erstmals in einem Gottesdienst. Der Winznauer Pfarrer hatte sie angefragt. Aus diesem Auftritt wurden 51 Jahre, in denen Schenk die Kirch­gemeinde musikalisch begleitete.