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Warum die Würde im Alter so wichtig wird

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26.04.2016
«Altern in Würde» geht die Kirche etwas an. Eine gleichnamige Tagung hat das gezeigt. Der Theologe und Gerontologe Christoph Schmid sieht Potenzial, sich einzubringen.

Unsere Würde können wir nicht verlieren. Das hält der Theologe und Gerontologe Christoph Schmid klar fest. Auch in den Menschenrechten und der Verfassung ist das definiert. Alle Menschen haben Anspruch auf grundlegende Rechte, auf persönliche Integrität, auf Autonomie und Selbstbestimmung und auf elementaren Respekt.

Wegnehmen kann also diesen Anspruch niemand. Aber: «Die Würde zeigt sich im Umgang des Umfelds mit der Person. Deren Würde ist nur intakt, wenn sie als Persönlichkeit ernst genommen und entsprechend mit ihr umgegangen wird.» Die Würde kann also verletzt werden, es gibt «unwürdige» Verhältnisse und Situationen.

Das Heim ist Gast
Das betonte Schmid auch in seinem Referat an der Tagung «Altern in Würde» am vergangenen Donnerstag in Bern. Die katholische und reformierte Landeskirche organisierten sie zusammen mit dem Institut Alter der Berner Fachhochschule. Auf den Punkt brachte den Begriff der Würde auch Monika Stocker in einer kurzen Diskussion mit dem Filmemacher Paul Riniker. Die ehemalige Nationalrätin ist heute unter anderem Präsidentin eines Vereins, der ein Heim betreibt. Und dort gelte: «Im Heim sind nicht die alten Menschen bei uns zu Gast – wir sind zu Gast bei ihnen! Wenn also einer seinen Landjäger und sein Bier haben will wie früher, dann sollte er das bekommen», sagte Stocker.

Christoph Schmid machte deutlich, warum das Thema immer wichtiger wird. «Etwa 50 Prozent sterben heute hochbetagt nach mehrjähriger Pflegebedürftigkeit. Weitere rund 20 Prozent erleben eine längere Pflegeabhängigkeit wegen Herz- und Kreislauferkrankungen.» In den vergangenen 50 Jahren ist daher das Alters- und Pflegeheim fast sprunghaft zum häufigsten Sterbeort aufgestiegen. Deutlich abgenommen haben die Todesfälle sowohl zu Hause als auch im Spital.

Wer abhängig wird, gibt Macht ab
Mit der länger dauernden Pflegebedürftigkeit nehme auch das Risiko zu, in der Würde verletzt zu werden: «Wenn man sich nicht mehr wehren kann und abhängig ist, kann die Macht schnell missbraucht werden.» Glücklicherweise laufe vieles gut, sagt der Gerontologe. «Es gibt viele Heime, die eine optimale Umgebung bieten.» Es sei viel Fachwissen da, und es herrsche eine grosse Transparenz.

Aber er ortet auch Handlungsbedarf, insbesondere in finanziellen und menschlichen Ressourcen: «Gerade weil sich Würde in einer menschenwürdigen Umgebung, Behandlung und Begleitung manifestiert, muss hier investiert werden. Dazu braucht es Geld. Und es braucht Menschen, die mit den alten Leuten umgehen können und dafür auch Zeit haben.»

Stärkeres Engagement erwünscht
Christoph Schmid wünscht sich auch ein stärkeres Engagement von der Kirche. «Im Kanton Bern läuft das recht gut. Aber vielerorts dürfte die Seelsorge in Heimen verstärkt werden – auch das trägt zur Würde bei.» Und mit der Freiwilligen- und gererationenübergreifenden Arbeit tue die Kirche zwar einiges. Doch eine Gefahr sieht der Theologe und Gerontologe hier: «Weil die Kirche für immer weniger Menschen etwas bedeutet, nimmt auch ihr Einfluss in der Sensibilisierung fürs Alter ab.»

Mit Seelsorge meint der Theologe nicht nur den Glauben im religiösen Sinn. «Ich verstehe Glaube als eine existenzielle Bezogenheit auf Transzendenz, die unabhängig ist von allen Religionen.» So sei es vor allem eine Unterstützung, sich zu versöhnen mit dem Leben, das man geführt hat. Und das spiele neben der Unterstützung und Pflege bei körperlichen Leiden auch eine grosse Rolle.

Ein Auftrag der Kirche
Für die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn (refbejuso) als Initiantin der Tagung seien Hochaltrigkeit und Würde schon länger ein Thema, sagt Frieda Hachen, Beauftragte Alter und Generationen bei refbejuso. Die Verletzlichkeit im Alter sei ernst zu nehmen. «Hier hat die Kirche hat den Auftrag hinzuschauen; das ist unter anderem theologisch begründet», sagt Hachen. So habe es der Synodalrat auch in einem Standpunkt offiziell festgehalten.

Für die Altersbeauftragte ist es ein Anliegen, das Thema konkret anzugehen. «Denn über Würde wird zwar viel geredet – aber der Ausdruck wird häufig nicht gefüllt.» Und weil es zudem ein Thema sei, das alle betreffe, hätten die Kirchen die Zusammenarbeit mit dem Institut Alter gesucht. So sei es auch kirchenferneren Personen zugänglich – schliesslich altern diese auch.

Zur Website der Kampagne «Alles hat seine Zeit»

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Marius Schären / reformiert.info / 25. April 2016

 

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