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«Jugendliche sollten sich mit Pfarrpersonen auch fetzen können»

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26.04.2016
Wissenschaftler untersuchten die Konfirmandenarbeit in neun europäischen Ländern. Die Studie zeigt: Beim Konfirmationsunterricht hat die Schweiz Nachholbedarf. Und es fehle eine anknüpfende Jugendarbeit, sagt der Schweizer Studienleiter, Professor Thomas Schlag.

Herr Schlag, nun liegen die Resultate des europäischen Vergleichs bei der Konfirmandenarbeit vor. Was hat Sie überrascht?
Europaweit gesehen zeigen viele Jugendliche starke Bezüge zur Religiosität - man muss sie nur darauf ansprechen. Von einer säkularisierten Jugendgeneration kann deshalb nicht die Rede sein. Themen wie «Jesus Christus», der «Gottesdienst», aber auch «andere Religionen» stossen auf grosses Interesse. Die Konfirmationsarbeit hat eine stabile Basis. Und eines ist sehr deutlich: Je stärker die religiösen Prägungen durch Familie oder Kirche, desto positiver nehmen die Jugendlichen die Konfirmationszeit wahr.

39 Prozent der Schweizer Jugendlichen sagen am Ende ihrer Konfirmationszeit aber auch, die Kirche habe keine Antworten auf ihre Fragen. Europaweit ist das der höchste Wert. Was machen die Verantwortlichen falsch?
Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Angebote während der Konfirmandenzeit sehr stark an die Jugendlichen angepasst werden. Damit sind die Schweizer Pfarrpersonen zwar nah an ihnen dran, auf der Strecke bleibt aber dann vielleicht manche notwendige inhaltliche Auseinandersetzung. Das Programm ist für die Jugendlichen zwar ok – 83 Prozent sind mit ihrer Konfirmandenzeit zufrieden –, aber sie werden möglicherweise inhaltlich nicht genügend herausgefordert. Die Jugendlichen sollten sich mit der Pfarrperson auch mal fetzen können. Auf Irritierendes und Unbequemes sollte jedenfalls nicht verzichtet werden.

Im Konfirmationsunterricht soll mehr gestritten werden?
Die Jugendlichen wollen doch, dass man Flagge zeigt. Sie lernen die DNA einer Kirche nicht primär durch erlebnisorientierte Programme kennen. Wir verpflichten die Jugendlichen zwar zum Besuch des Gottesdienstes, vermitteln aber kaum noch dessen Bedeutung. Ich wünschte mir, dass Pfarrpersonen in ihrer Konfirmationsarbeit wieder mehr Theologie zur Sprache bringen und auch mal rituelle und liturgische Elemente ausprobieren.

Warum sollten sie das tun?
Das Wissen der Schweizer Konfirmanden über Glaubensdinge nach der Unterrichtszeit ist vergleichsweise gering, für ein Drittel verläuft die Konfirmationsarbeit gar wirkungslos. So kann sich keine reformierte Identität entwickeln. Das ist anders in Ländern, in denen dieses Bildungsangebot noch stärker auf inhaltliche Vermittlung setzt.

Anderen Ländern gelingt es also besser, die Jugendlichen nach der Konfirmation bei der Stange zu halten?
Ja, 45 Prozent der finnischen Befragten und 36 Prozent der österreichischen wollen danach ehrenamtlich in der Kirche arbeiten, aber nur 21 Prozent der Befragten in der Schweiz. Ähnlich sieht es aus bei der Bereitschaft, nach der Konfirmation in eine kirchliche Jugendgruppe zu gehen. Auch hier liegen die Schweizer Jugendlichen mit 16 Prozent auf dem zweitletzten Platz.

Woran liegt das?
Oftmals fehlen einfach Anschlussangebote. Je mehr Ehemalige in der Konfirmationszeit mitwirken, desto grösser ist die Motivation für die Jugendlichen, sich nach ihrer Konfirmation auch selbst einzubringen. In vielen Kirchgemeinden fehlt eine Brücke zur Zeit nach der Konfirmation, vor allem eine anknüpfende Jugendarbeit. Man holt niemanden dauerhaft ins Boot, der mit 14 Jahren kommt und mit 16 wieder geht. Die Konfirmationsarbeit bleibt dann tatsächlich meist die erste und letzte Erfahrung mit Kirche.

Was sind Ihre Empfehlungen?
Es muss uns gelingen, die Konfirmierten zu Mitarbeitern beim nächsten Jahrgang zu machen und überhaupt Teams zu bilden, an denen Jugendliche beteiligt sind. Und bei den Bedingungen sollten nicht zu viele Kompromisse gemacht werden, auch wenn die anderen Verpflichtungen und Freizeitangebote drängen. Die Kirchen sollten im Gegenteil ein grösseres Selbstbewusstsein entwickeln, denn die Kirchen haben mit der Konfirmationsarbeit vieles zu bieten. Gerade deshalb dürfen sie die Bereitschaft zur intensiven Teilnahme der Jugendlichen erwarten.

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Raphael Kummer / ref.ch / 26. April 2016

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