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Verurteilt zum Tod am 31. August 2016

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27.05.2016
Andreas Hausammann, Jazzpianist und Beauftragter für populäre Musik der St.Galler Kirche, wird voraussichtlich Ende August einen Freund verlieren. Dann soll Rolando Ruiz, Texaner mexikanischer Abstammung, durch die Giftspritze sterben.

«Es ist hart, wenn man einen Freund verliert», meint Andreas Hausammann, «aber mit angesagtem Datum ist es noch schwerer auszuhalten!» Der St.Galler Musiker begann die Brieffreundschaft mir Rolando Ruiz vor Jahren nach dem Besuch einer Veranstaltung der Organisation «Lifespark», die sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt. Bei den Besuchen im Gefängnis fanden Gespräche zwischen Ruiz und Hausammann nur durch die Panzerglasscheibe statt. Auch Ende August wird das wieder so sein, zum aktuellen, zweiten Hinrichtungstermin. Beim ersten, vor neun Jahren, verbrachte der Schweizer Freund mit der Familie von Rolando Ruiz eine quälende Wartezeit in Überlänge, um dann vom Abbruch der Prozedur zu erfahren. Der Delinquent selbst wurde, völlig verwirrt und ohne weiteren Kontakt, aus dem Warteraum in die Einzelzelle zurückgeschafft. Ein solcher Aufschub, damals zugunsten einer juristischen Wiedererwägung durch Anwälte erwirkt, ist aller Voraussicht nach beim neuerlichen Termin nicht mehr möglich.

Strafpraxis im «Bible Belt»
In den USA gehen die Hinrichtungszahlen seit der Jahrtausendwende zurück. Hartnäckig hält sich die Todesstrafe im «Bible Belt», jenem Segment der USA, in dem konservativ-evangelikaler Protestantismus Mehrheitskultur ist. Gnadenloser Moralismus wirkt hier direkt auf die Strafpraxis: «Was ein Mensch sät, das wird er auch ernten.» (Gal.6,7). Texas hat die höchsten Zahlen. Hier würde politischer Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe Wählerstimmen kosten.

Rolando Ruiz, Mitte Vierzig, sitzt seit beinahe einem Vierteljahrhundert in Einzelhaft. Als Zwanzigjähriger machte er, wie er heute bekennt, «den schlimmsten Fehler, den ein Mensch je machen kann». Der Drogenabhängige aus schwierigen sozialen Verhältnissen beging einen Auftragsmord an einer jungen Frau und wurde bald verhaftet. Durch kalten Entzug wurde er clean; körperlich hält er sich bis heute fit. Er begann, die Bibel zu lesen. Denn auch das gehört zum «Bible Belt»: In Gefängniszellen liegt die Heilige Schrift. «Was dann passierte, ist sozusagen der Klassiker», meint dazu Andreas Hausammann: «Rolando kam einfach durchs Bibellesen zum Glauben. Und dieser Glaube hält ihn innerlich zusammen. Ich weiss, es tönt makaber, aber ohne den Aufenthalt im Gefängnis wäre Rolando heute nicht so stark, wie er es ist. Leider spielt jedoch ein Aspekt wie Besserung keine Rolle in der juristischen Beurteilung.»

Im Internet kann Rolandos Selbstzeugnis nachgelesen werden: «Ich wusste immer, dass es Gott gab, und ich hatte von Jesus gehört. Aber ich hatte nicht versucht, ihn zu finden. Als mir dann aber die krasse Realität meines Schicksals ins Gesicht starrte, ging ich auf die Knie und betete.» Doch habe er sich, trotz aller Reue, nicht selbst vergeben können. Erst die katholische und die evangelische Gefängnisseelsorge habe ihn den gnädigen Gott finden lassen.

Vergebung erfahren
Unmittelbar vor dem – vermeintlichen ersten – Hinrichtungstermin feierte er mit zwei Priestern und einem protestantischen Pastor Kommunion. «Ich wollte Frieden, Gottes Gnade und Vergebung. All den Schmerz, die Schuld und Scham loszulassen war wie ein Dammbruch. Als der Priester betete, fühlte ich mich leicht und friedevoll. Am Schluss haben mich Priester und Pastor umarmt, physisch umarmt! Das war überwältigend für mich, denn ich hatte seit meiner Festsetzung nie mehr Berührung mit einem anderen Menschen. Ich hatte vergessen, wie es sich anfühlt, so gehalten zu werden.» Rolando Ruiz beschreibt diese Erfahrung als sein «Nahtoderlebnis».

Andreas Hausammann berichtet aktuell: «Selbst dass er jetzt im Death Watch Trakt untergebracht ist und da alle paar Tage miterlebt, wie Mitgefangene zur Hinrichtung abgeholt werden, scheint sein Vertrauen nicht zu erschüttern, dass er geborgen ist und erwartet wird. Rolandos Hauptsorge gilt der kranken Mutter, deren einziger Sohn er ist.»

Martin Breitenfeld / Kirchenbote SG / Juni 2016

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