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Geschichte der Ausgrenzung

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01.01.2016
Ein Blick in die Geschichte Europas zeigt Erschreckendes: Je «zivilisierter» eine Kultur, desto stärker sonderte sie behinderte Menschen aus. Selbst vor Mord schreckte man nicht zurück.

Griechenland
Das antike Griechenland, die Wiege der Philosophie und Dichtkunst, geht rigide gegen Schwache und Behinderte vor: In Sparta werden neugeborene Kinder dem Ältestenrat zur Prüfung vorgeführt. Behinderte bringt man in eine Schlucht im Taygetos-Gebirge, um zu sterben. Platon empfiehlt in seinem Werk «Politiea» (der Staat) den Kindesmord und eine strikte Eugenik durch staatliche Auswahl der Zeugungspaare.

Rom
In Rom bilden Behinderte eine Sensation: Reiche verschenken Verwachsene und Kleinwüchsige. Behinderte werden oftmals an Festmählern zur Schau gestellt. In der Spätantike wird es zeitweise Mode, sich mit behinderten Sklaven zu zeigen. Mit der Verbreitung des Christentums setzt sich der Gedanke der Caritas durch. Kirchenvater Augustin ruft dazu auf, nicht über Behinderte zu urteilen, denn sie seien Gotteswerk.

Im Mittelalter
Im Mittelalter leben Behinderte als «Krüppel» und «Blödsinnige» am Rande der Gesellschaft. Sie erhalten das Recht zu betteln und bieten den Wohlhabenden die Möglichkeit, sich durch Almosen ihr Seelenheil zu verdienen. Das Aufkommen des Hexenglaubens verschlechtert die Situation: Behinderte werden verdächtigt, mit dem Teufel im Bunde zu stehen und werden mit Frauen und Ketzern als Hexen hingerichtet.

Barock und Aufklärung
Könige und Adlige halten im Barock Behinderte als Hofnarren. Katharina von Medici besitzt neun «Hofzwerge». In der Aufklärung sieht man Behinderte nicht länger als «Teufelsbrut» sondern als «asoziale Elemente» an. Die Behörden sperren sie in Bettlergefängnisse und Narrentürme.
Johann Heinrich Pestalozzi macht sich im 18. Jahrhundert für behinderte Kinder stark. Es entstehen die ersten Schulen für Blinde und Gehörlose, während Geisteskranke in den Irrenhäusern dahinvegetieren und verwahrlosen. Behinderte, Gross- und Kleingewachsene, Beleibte, Kranke werden als Attraktionen im Zirkus ausgestellt.

Von Darwin zur Eugenik
Ende des 19. Jahrhunderts nimmt eine breite Öffentlichkeit das Schicksal der Behinderten wahr: Neue Medikamente und Erkenntnisse bekämpfen Tuberkulose, Kinderlähmung oder Rachitis.
1859 veröffentlicht Charles Darwin sein Buch «Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl». Mit fatalen Folgen: Die Forderung, Behinderte auszugrenzen oder für eine «gute Volksgesundheit» zu eliminieren, breitet sich aus. Behinderten Menschen wird mehr und mehr das Lebensrecht abgesprochen. Im Dritten Reich setzten die National­sozialisten die «Vernichtung lebensunwerten Lebens» um. Tausende geistig Behinderte und andere werden aus den Heimen abgeholt und ermordet. Die Nationalsozialisten rechtfertigen die Euthanasie mit «Leidensverkürzung, volkswirtschaftlichen Nutzen und Vorrang der Volksgesundheit».

Das Umdenken
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzt ein Umdenken ein: Behinderte Menschen erhalten vom Staat eine Invalidenrente. Unter dem Einfluss der Psychologie, der Pädagogik und der Medizin werden behinderte Menschen nicht mehr nur versorgt und verwaltet, sondern gefördert.

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