Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

«Jedem einen Denar»

min
01.01.2016
Der in Schaffhausen aufgewachsene Ökonom Christian Müller setzt sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. In der Veranstaltungsreihe «dialog im zwingli» stellt er die Vision vor.

Ab dem kommenden Frühling sollen Unterschriften gesammelt werden für eine Initiative, die radikal anmutet: Sie fordert für alle in der Schweiz lebenden Personen ein Grundeinkommen in der Höhe von ungefähr 2500 Franken. Kinder würden ein Teil-Grundeinkommen erhalten. Dabei solle sich an der heutigen Einkommenssituation nicht viel ändern, sagt der Ökonom und Wissenschaftsjournalist Christian Müller, der mit seiner «Agentur Grundeinkommen» zusammen mit Daniel Straub die Initiative koordiniert. Für diejenigen, die mehr verdienten, würden die 2500 Franken einen Teil des Lohnes ausmachen. Was der Arbeitgeber weniger an Lohn bezahlen müsse, gehe in den Finanzierungstopf.
Die Vision ist nicht neu. Thomas Morus schlug 1516 in seinem Roman Utopia ein Grundeinkommen vor, um Diebstahl vorzubeugen. In den 1960er- Jahren entwickelte der Ökonom Milton Friedmann, Vordenker des Neoliberalismus, das Modell einer Negativsteuer für Wenigverdienende. Der Bürgerrechtler Martin Luther King plädierte für ein bedingungsloses Grundeinkommen, um die Armut in der schwarzen Bevölkerung zu lindern. In der Schweiz gehört der Sozialethiker Hans Ruh zu den Verfechtern. Und nicht zuletzt, so sagt Pfarrer Peter Vogelsanger, der den Diskussionsabend vorbereitet hat, stehe das Gleichnis von Jesus aus Matthäus 20 von den Arbeitern im Weinberg hinter der Vision.

Paradigmenwechsel würde Grundlegendes verändern
Christian Müller sieht die Initiative als wichtigen «kulturellen Impuls». Sie sei Anstoss, dass sich in der Gesellschaft etwas Grundlegendes verändern könnte. Ein Grundeinkommen, das für ein bescheidenes aber würdevolles Leben reiche, würde viel Positives bewirken, «auch auf der psychischen Ebene». Weil es Einkommen und Arbeit zu einem wesentlichen Teil entkopple, werde der Spiess umgedreht. Der Einzelne erhalte Geld, damit er arbeiten könne, eine Arbeit, in der er einen Sinn sehe. Das sei ein Paradigmenwechsel: Statt Recht auf Arbeit fordere die Initiative Recht auf Einkommen. Beschäftigte in den Niedriglohnbereichen wie Reinigung oder Gastronomie hätten dann die Wahl, ob sie einen Job überhaupt annehmen sollen oder nicht. «Das wirkt gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und könnte die Löhne im untersten Segment etwas anheben», ist Müller überzeugt. Die Initiative gebe den Wenigverdienenden das Recht, nein zu sagen. Die Initiative erhält Unterstützung von verschiedenster Seite. So sagt etwa die Theologin Ina Prätorius, welche das Anliegen unterstützt: «Es würde ­allen Menschen, und vor allem den Frauen, die bisher gratis gearbeitet haben, Atempausen schenken. Sie könnten endlich in Ruhe darüber nachdenken, wie sie sich mit ihren Fähigkeiten und Wünschen ins Zusammenleben einbringen.» Umgekehrt meint der ehemalige Chefökonom der UBS, Klaus Wellershoff, das Grundeinkommen würde die Defizite des Sozial­systems beseitigen.
Auch die Kritik kommt von allen Seiten des politischen Spektrums: Die Rechten sind überzeugt, dass ohne Druck niemand arbeiten würde. Die Linken fürchten, dass der Sozialstaat ausgehöhlt werde. Christian Müller sagt: «Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass neoliberale Verfechter den Sozialstaat abschaffen möchten.» Aber es wäre falsch, wenn man diese geniale Idee aus Angst nicht einmal ernsthaft diskutieren würde. Denn die Menschen seien nicht faul, sondern wollten arbeiten. «Aber sie sollen selber entscheiden, wo sie sich einsetzen möchten.»


Donnerstag, 22. März, 20 Uhr, Zwinglikirche Schaffhausen

Barbara Helg

Unsere Empfehlungen

Trotz-Kraft Ostern

Trotz-Kraft Ostern

Obwohl sie ihn zum Schweigen bringen wollten, lebt seine Botschaft weiter. Jesus ist auferstanden und wir sind seit 2000 Jahren mit der Trotz-Kraft von Ostern unterwegs. Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, über die Aktualität der Osterbotschaft.
«Einer muss den ersten Schritt machen»

«Einer muss den ersten Schritt machen»

Der muslimisch-jüdische Dialog scheint seit dem Terrorangriff der Hamas schwierig. In Basel fand nun eine Premiere statt: Jüdische und muslimische Gläubige haben erstmals ihren Fastentag gemeinsam mit einem koscheren Essen beendet.